Zeit des Feuers

Iyrawen
24. Juli 2009 • Kommentare: 6

Die Frau in Rot steigt vorsichtig die Stufen der engen Turmkammer hinab. In der Hand hält sie einige Briefe, die sie nacheinander auf den Schreibtischen der Adressaten ablegt.

Wertes Fürstenpaar Winthallan zu Minas Faer,

ich habe mich entschlossen, meinen Dienst zu quittieren. Ich weiß, Ihr werdet die Gründe weder nachvollziehen können noch schätzen. Aber manchmal ist es besser, einen Eid zu brechen, als dauerhaft eine Lüge zu leben.

Ich leistete einen Treueschwur auf Minas Faer. Doch die Wahrheit ist, ich leistete einen Eid auf denjenigen, der mir einst die Hand reichte und mir eine Heimat wies. Minas Faer ist das Erbe Alejandro Salas‘, und ich bin sicher, Ihr werdet es würdig verwalten. Genauso sicher bin ich mir indes, dass Ihr und ich nicht dauerhaft zusammen passen. “Die Zeit des Feuers ist vorbei”, sagtet Ihr mir bei unserem letzten Gespräch. Damit habt Ihr wohl recht gehabt.

Und dann gibt es da noch ein anderes Erbe Salas‘, für das ich ebenfalls schwor, da zu sein. Vielleicht kann ich wenigstens diesen Eid halten. Ich werde es versuchen. Sichere Wege, Iyrawen

Ein weiterer Brief landet auf einem Schreibtisch:

Geschätzte Baroness Ellena Linhir zu Minas Faer,

es tut mir leid, dass unser Abschied nun so knapp ausfällt. Ihr hättet wahrlich Besseres verdient. Aber wenn Ihr diese Zeilen lest, werde ich das Haus bereits verlassen haben. Ich war schon seit einiger Zeit kaum noch zu sprechen für den Haushalt. Ich kann meine Aufgaben nicht länger derart vernachlässigen und mich weiterhin Medica nennen.

Erinnert Ihr Euch noch an unsere erste Begegnung? Damals fragtet Ihr mich nach meinen Referenzen. Die Wahrheit ist: Ich habe keine. Vor meiner Ankunft in Minas Faer war ich nie Medica. Ob ich es künftig noch sein werde, ist ungewiss.

Eines aber weiß ich genau: Minas Faer ist für mich zu einer Heimat geworden, gerade weil es auf Grundfesten gemauert ist, die Euren Namen tragen. Einst wart Ihr wie eine zarte Flamme hinter Glas, doch Ihr habt längst begonnen, aus eigener Kraft zu leuchten. Bewahrt euch das. Ich weiß, Minas Faer kann es gebrauchen. Eure Iyrawen

Der letzte Brief wird auf Giselhers Schreibtisch platziert, gefolgt von einem Stoffbeutel.

Lieber Giselher, es tut mir leid. Ich weiß, es ist besser, dass ich das Haus verlasse, bevor mich der Fürst für aufrührerisches Gedankengut und feurige Aufmüpfigkeit in Ketten legen lässt. Du kennst mich ein wenig…Zunder noch einmal, mir fehlt die Geduld, in einem Hause Dienst zu tun, in dem ich darauf warten soll, dass man mir das Wort erteilt!

Ich habe Dir absichtlich vorher nichts gesagt, denn ich weiß, Du bist Deinem Herrn gegenüber loyal. Ich habe in Minas Faer tatsächlich Freunde gefunden, auch dank Dir. Doch das Haus ist nicht mehr dasselbe, seit das Flammenherz erlosch und der Wind sich verflüchtigte, seit der Wolf verschwand und die Krähe entflog. Ich habe mir vorgenommen, einigen ihrer Spuren zu folgen. Wer weiß, wohin es mich verschlägt – das Feuer taucht stets dort auf, wo man es am wenigsten vermutet. 

Womöglich sehen auch wir uns also eines Tages wieder – allerdings fürchte ich, Du wirst mich dann wirklich zu einer Laufrunde rund um den See verdonnern wollen!Es umarmt Dich herzlich, Iyrawen

P.S. Beigefügt erhälst Du einige Blätter Flammenkraut. Ergibt einen wunderbaren Tee. Heiß genießen!

Dann landet noch eine schlichte Notiz auf dem Arbeitstisch des Alchemisten:

Heridan Flusswieser!

Ihr seid nun gefragt. Ich verlasse den Haushalt, doch wenigstens weiß ich die medizinische Versorgung in allerbesten Händen. Macht weiter so – und hört endlich auf mit dieser Quacksal…Trankpansch…Zunder noch einmal, mit diesen blubbernden Tränken! Ihr sprengt irgendwann noch das ganze Haus in die Luft!

In meiner Turmkammer findet Ihr einige Bücher der Heilkunde, sie sind zu schwer für mein Gepäck. Ach ja, Verbände und Salben sind auch noch da und so weiter und so fort. Ihr kommt schon zurecht.

Und sorgt gefälligst dafür, dass das Feuer im Kamin nicht ausgeht! Einer muss es ja tun. Sichere Wege, Iyrawen

Eine Notiz an den Haushalt findet zu guter Letzt den Weg an die Tür des Hauptsaales.

Lieber Haushalt, die Zeit des Feuers ist beendet. Bis auf weiteres wird Heridan Flusswieser alle medizinischen Beratungen übernehmen. Er ist ein ausgezeichneter Alchemist und Medicus, schenkt ihm daher bitte Euer Vertrauen, wie Ihr es mir geschenkt habt.

Habt Dank, gez. Medica

Schließlich ist die Frau in Rot an der schweren Haustür angelangt. Ganz gegen ihre Gewohnheit lässt sie sie sachte ins Schloß gleiten. Dann macht sie sich auf den Weg, gefolgt von einem Raben in feuerrotem Gefieder. Als sie den Waldrand erreicht, wendet sie sich noch einmal um. “Stete Flamme”, flüstert Iyrawen in den Wind. Und für einen Moment leuchtet das Haus glutrot auf. Glutrot, so als stünde die Stadt im Nebel lichterloh in Flammen.

Dabei ist das bloß das Licht der aufgehenden Sonne. Was denn auch sonst!

  1. Iyrawen sagt:

    Nicht dass irgendwer auf die Idee kommt, Iyra hätte doch noch Brandstifter gespielt! 😉 Und überlest bitte die ganzen krummen Formatierungen – ich muss mich erst noch an den neuen Computer gewöhnen.

  2. Cinlir Winthallan sagt:

    Sie wird mir sehr fehlen…

  3. Giselher Aldorn sagt:

    Oh ja, sie wird uns allen fehlen…
    Aber wir werden sie in guter Erinnerung halten 🙂

  4. Bregon Strago sagt:

    Auf jeden Fall, Gisi. 🙂

    Toller Blog, besonders das Ende! 😀 Da musste ich echt anfangen zu lachen. ^_^
    Fantastique! 😀

  5. Sethur sagt:

    Sehr schön und elegant geschrieben, schöner Blog, ja. 🙂

  6. Sybell sagt:

    *Taschentuch zück und traurig hinterher wink*

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