Wohin?

Alejandro Salas
13. März 2008 • Kommentare: 0

„Junge… Wohin bringst du dich da nur, hm?“ Alrichs Worte klingen mir immernoch in den Ohren. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Hätte mir noch vor einem halben Jahr jemand gesagt wo ich mich heute finden würde – und in welchem Zustand – ich hätte schallend gelacht.

Wo bin ich also? Ich liege im Bett eines Fremden. Meine Augen brennen immernoch. Ich hoffe immernoch, wahrscheinlich vergeblich, daß zumindest dieser Teil vor Alrich vorhin versteckt blieb. Zu allem Überfluß trat auch noch Rodgar dazu. Was immer er sich gedacht haben mag, er hatte immerhin die Güte sich nichts anmerken zu lassen und verschwand ebenso schnell wie er gekommen war.  Der Rücken schmerzt mir, das Herz ist schwer. Dabei versucht Alrich so tapfer es mitzutragen.

Was soll dann erst mit Lysawyn sein? Das Mädchen hat mehr zu tragen als ich, schlimmeres zu leiden. Ihr mußte ich sagen, daß ich nicht der ihre sein könnte. Weil ich sie nicht liebe. Nicht so. Mir sagte man gleiches nicht, und dennoch benehme ich mich schlechter und mit weniger Würde als sie. Sie, die sich gestern verabschiedete, um auf Reisen zu gehen. Ruhe zu finden. Zurückzukehren sobald sie mich überwunden hätte. Zehn Jahre jünger als ich – und dennoch in diesem Punkt so viel erwachsener.

Auch Lynne schrieb ich. Sie ist eine der wenigen Personen außerhalb unserer Reihen, der man noch halbwegs über den Weg trauen kann. Dabei weiß ich nichtmal ob sie mir traut. Ich erinnere mich an die Blicke, welche sie mir auf den ersten Treffen der Zunft zuwarf. Von Vertrauen war wenig in ihrem Blick. Und jetzt? Vielleicht habe ich mich mit meiner Theorie geirrt. Vielleicht hatte ich Unrecht mit dem, was ich über ihr Herz sagte, was ich darüber dachte. Und vielleicht hat dann genau diese Vermutung sie weggedrängt. Möglicherweise verlor sie dadurch das winzige Stück Vertrauen, das sich bis dahin aufgebaut hatte. Ich kann es nicht sagen. Sie ist nicht hier. Keine Augen indenen zu lesen ist. Und vor allem keine Worte.

Alrich wiederum bot an mit Rywen zu sprechen. Aber das bringt nichts. Das kann nichts bringen. Dieses eine Problem kann der Alte nicht für mich lösen. Auch wenn ich das Gefühl habe er täte nichts lieber als das. Einen herrlichen Herrn hat er sich da gesucht. Armer, alter Mann.

Während ich hier also sitze und mir den Kopf über allerlei Leute Herzen zerbreche hat Ardeyn nichts anderes zu tun, als gekonnt die Augen vor der Tatsache zu verschließen, daß der Junge den er kennt und der, der jetzt vor ihm steht weit weniger die gleiche Person sind als er anscheinend immernoch vermutet. Er läßt es die Baroness spüren, wie mir scheint. Der Mann, der starb um Rywen zu täuschen. Die beiden anderen, die sie hielten. Der vierte im Schluchtenflechter als Prüfung. Mein Vater. Und der sechste, welcher seine Hände und Augen nicht bei sich behalten wollte. Der Siebte, ohne Schuld, zu anderer Gelegenheit als Beweiß meiner Loyalität. Sieben. Und schon längst habe ich ihre Namen vergessen. Wieviele Köpfe muß ich euch bringen, damit ihr begreift, mein Freund? Wieviele müssen es sein, damit ich nicht mehr ich selbst bin? Kaum einer von ihnen starb einfach. Es war jedes Mal ein schlechter Tod. Ihr hättet es geliebt, alter Mann. Müßt ihr erst dabei sein um es zu sehen? Und warum in aller Welt ist es mir überhaupt so wichtig, daß ihr mir glaubt. Ihr seid nur ein Waffenmeister. Ein Schinder. Ein Dickschädel, welcher sich seine Meinung zu schnell bildet und nie wieder davon los läßt.

Und dann… Nicht zu vergessen Schall und Rauch. Dreckspack und Gesindel schimpft man uns nun also. Und wofür, frage ich. Weil eine Elbe weniger Weisheit hat als jeder zweite Ork den man trifft. Weil sie ihr Herz verlor und nicht ertrug, daß es nicht gefangen wurde. Weil auch andere Stolz haben. Und weil es für andere so schwer ist den eigenen Stolz zurückzustellen.

Während ich das hier schreibe begreife ich was mich in den Morgen treibt: Wut. Jemand wird seinen Tod finden.

Du musst eingeloggt sein, um zu kommentieren.