… in den Einsamen Landen:
Durch das kaputte Dach der verlassenen Herberge fällt das verblassende Sternenlicht des frühen Morgens. Noch ist es dunkel, doch bald wird die nacht dem trüben Zwielicht weichen müssen, dass dem Sonnenaufgang vorauseilt. Im Innern spielt sich eine nicht nur für dieses Tageszeit ungewöhnliche Szene ab.
Eine Hobbitfrau mit unordentlichen kurzen Haaren steht in einer sehr schmutzigen und teilweise lädierten Rüstung auf einem der Tische. Faustschüttelnd und aufgebraucht fluchend beschimpft sie die übrigen Anwesenden, die lachend und spottend um sie herum stehen und sich von Herzen über den kampflustigen Hobbit amüsieren.
„Nenn mich noch einmal Klein, du verlauster Schafbegatter, und du wirst sehen, was du davon hast!“
Die Zunge ist ihr schwer, mehrere Humpen Bier haben ihre hitzigen Verwünschungen zu einem Lallen gemacht, was sie jedoch nicht davon abhält, weiterhin zu schimpfen wie ein Kesselflicker.
„Ich prügel dir das dreckige Grinsen aus dem Gesicht und schicke Friedwart zu deiner Alten, damit die mal’n ordentlichen Kerl kriegt!“
Auf das kurze verständnislose Schweigen der Umstehen folgt eine kurze Erläuterung.
„Friedwart ist mein Ziegenbock, ihr Idioten!“
Wenngleich das natürlich in ihrem Zustand eher wie folgt klingt:
„Fiiidwaad’ch mein Chiegnbog, i-i-Idjoodn!“
Für die Erinnerung an das ungewöhnliche Reittier erntet sie abermals ungewollte Lacher und ihre „Zuschauer“ nehmen ihre Spötteleien und Anfeuerungen wieder auf. An dieser Stelle scheint die zornige Hobbitfrau genug zu haben, denn sie springt vom Tisch und verschwindet hinter einem mit Pökelfleisch gefüllten Fass. Gespannt wartet man ab, ob sie nun aufgeben wird, oder einfach einschlafen – wie man es eben von einem betrunkenen Hobbit erwartet.
Stattdessen hört man angestrengtes Keuchen hinter dem Fass und das Schleifen der Stiefelsohlen über den schmutzigen Boden, als würde die versuchen, halt zu finden und auf dem ausgelegten Stroh immer wieder ausrutschen.
Im nächsten Moment rumpelt es, als der Hobbit sich mit aller Kraft gegen das Fass wirt und es somit ein Stück über den Boden rutscht. Stück für Stück bugsiert die entschlossene Hobbitfrau so das Pökelfleischfass auf den Mann zu, der bis eben Ziel ihrer Verwünschungen war und mittlerweile in das Johlen und Lachen der Anderen einstimmt.
Als sie endlich bei ihm angekommen ist, folgen ungelenke Versuche, aus das geschlossene Fass zu klettern. Springen, hochziehen, abrutschen. Immer wieder landet sie unsanft auf dem Boden, bis sie sich schließlich unter lautem Knarzen und Quietschen ebenso umständlich einen der langen Tische heranzieht, um zuerst auf diesen und dann auf das Fass zu klettern.
„So, was sagst du jetzt, Hä?“
Für diesen Erfolg erntet die Volltrunkene spontanen Applaus, woraufhin sie es sich nicht nehmen lässt, sich mehrmals zu verbeugen, wie es ein Schausteller tun würde.
„Und jetzt? Soll ich mich vor deinen winzigen Mäusefäustchen fürchten, oder was?“
Das Schauspiel um den kampflustigen Hobbit hätte noch friedlich ausgehen können, wäre nicht noch diese Provokation gewesen, sowie die Abneigung des Hobbits gegen Andeutungen oder Vergleiche ihrer selbst, die den Sinn von „klein“ oder „schwach“ oder „unfähig“ enthalten.
Einem trotzigen Kinde gleich, mit zusammengepressten Lippen, hochgezogenen Schultern, geballten Fäusten und verengten Augen wendet sie sich auf dem Fass stehend ihrem Provokateur zu und fixiert ihn stumm mit Blicken, die wohl tödlich wirken sollen. Da der Tod durch Starren allerdings nicht einsetzen will, setzt sie mit einem ordentlichen Schwinger der Rechten nach.
Mit einer Kraft, die man dem Halbling so nicht zugetraut hätte, bringt sie den mann mit dem Überraschungsschlag ins Taumeln. sie nutzt den Moment aus, indem sie sich schreiend auf ihn wirft und ihn mit dem Schwung ihres Gewichtes zu Boden wirft, wo sie dann auf ihm kniend und wilde Beleidigungen kreischend auf ihr Opfer einschlägt.
Die Umstehenden brauchen einen Augenblick, um zu begreifen. Doch dann kommt Bewegung in die Leute und zwei beherzte Männer schicken sich an, den Schlägerhobbit ruhig zu stellen. Dafür ernten sie jedoch nur vielfarbige Verwünschungen ihrer Selbst, ihrer Ehefrauen und ihrer Libido, sowie Schläge, Tritte, Kratzer und Bisse.
Im Handumdrehen entwickelt sich eine ausgewachsene Kneipenschlägerei, die erst dann endet als man es endlich schafft, den wilden Hobbit im Nacken und an den Beinplatten ihrer Rüstung zu packen und mit Schwung aus der Schenke hinaus auf die staubige Straße zu werfen.
Marwa Mackenschild braucht einen Augenblick, bis sie sich wieder aufrichten kann und der bereits wieder zugefallenen Tür frech die Zunge rausstreckt. Auf biersicheren Beinen taumelt sie zu dem behelfsmäßigen Stall, an dem sie ihre Reitziege angebunden hatte.
„Friedwart, dem hab ich’s gezeigt. Jawoll!“
Stolz lallend lässt sie sich neben der desinteressierten Ziege nieder und beginnt zu schnarchen, noch ehe sie ihr Bündel als behelfsmäßiges Kissen heranziehen kann.
Zu Ehren des Friedwart!
Hach die Marwa 😉