Minas Faer

… oder es wird einmal, vielleicht wäre es auch einmal. Vor langer, langer Zeit in einem weit, weit entfernten Dorf. Das Dorf trug den wunderschönen Namen Schlucht.
Woher der Name kommt, das wusste selbst der junge Gelehrte nicht. Vermutlich war er vor ewigen Jahren aus dem Scherz eines betrunkenen Gründervaters entstanden. Vielleicht auch nicht. Er wusste schlicht nicht, woher der Name stammte und hatte auch wenig Ambitionen, das zu ändern. Doch er hatte wichtigere Probleme. Er hatte ein kleines Zelt am Rande des Chetwalds aufgeschlagen. Fuhrgut, sehr bedacht auf umfassende Ausbildung, hatte von ihm verlangt, bei Nacht loszuziehen. Schliesslich konnte es jederzeit vorkommen, dass mitten in der Nacht ein Kraut dringend benötigt wurde. Also sollte Heridan einige verschiedene Kräuter sammeln, mit einem kleinen Messer, einer Lampe… und einer kleinen Mahlzeit, während er auf die Dunkelheit wartete.

„He, was machst’n hier?“ Heridan hob eine Augenbraue und blickte von seinem Buch auf. Er hatte entschieden, Dunkelheit als „Lichtverhältnisse, bei denen ich nicht mehr lesen kann“ zu definieren. „Ich sitze hier. Und warte.“ – „Worauf?“ – „Eigentlich darauf, dass es dunkler wird. Aber für dich mach ich ne Ausnahme und warte, bis du mir nicht mehr auf die Nerven gehst. Oder willst du was bestimmtes?“ Der andere richtete sich langsam zu seiner vollen Größe auf. In Kombination mit dem Knüppel in seiner Hand wirkte diese äusserst bedrohlich. „Das sollteste verdammt nochma wissn! Bist ja in unser’m Wald! Also wennde nich willst, dassich dir das Ding hier inne Fresse haue, sollteste mal de Kohle rüberrücken.“ Ohne aufzublicken, warf Heridan ihm einen Beutel zu, welchen der Mann öffnete. Darin befand sich tatsächlich eine schwarze Substanz, welche, als der Räuber sie berüherte, seinen Finger leicht schwärzte. „Sachma, willste mich verarschn?“ – „Ich glaube nicht. Ich hab dir gegeben, was du wolltest.“ Heridan blickte nun auf. Ihm bot sich das wenig erfreuliche Bild eines Mannes dar, der mit einer Keule ausholt. Er fuhr fort: „Allerdings scheint mir, ich habe dich wohl falsch verstanden. Ich schlage vor, wir trinken einen Becher Wein, dann klären wir das.“ – „Hmm, jut, mach hinne. Aber ich behalt dich im Auge!“

Heridan öffnete die Flasche mit Wein, welche er in seiner mitgeführten Tasche hatte, füllte damit zwei Becher, ebenfalls aus besagter Tasche. Verstohlen blickte er aus einem Augenwinkel zum Räuber, dann holte er mit einer schnellen Handbewegung eine weitere, sehr kleine Flasche heraus. Um ihren Inhalt in einen der Becher zu giessen.
Als er diesen Becher vor den Räuber stellte, sich selbst den, der nur aus der Flasche befüllt wurde, grinste der Räuber hämisch, griff nach dem Becher vor Heridan.

„Ich hab gesacht, ich behalt dich im Auge. Komms‘ dir wohl toll vor mit deinen komischen Giftfläschchen. Aber das Zeuch kannste selber saufen mit deiner Drecksplörre drin“ Heridan bemühte sich, nicht ertappt auszusehen. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“ – „Jut, dann kannste das Zeuch ja austrinken, wennde da nix reinjemischt hast.“ Heridan schluckte. Aber die drohende Keule des Räubers erstickte jeden Widerspruch im Keim. Also setzte er den manipulierten Becher an die Lippen, trank, während auch der Räuber im Zuge seines Triumphs gierig den Wein in sich hineinstürzte. Ein dumper Aufprall signalisierte, dass offenbar jemand nach hastigem Genuss eines Giftes es sehr eilig hatte, das Zeitliche zu segnen. Der andere richtete sich auf, blickte zum verdunkelten Himmel. Das von Heridan eilig fallengelassene Fläschchen lag auf dem Boden. Als die restliche Glut in einem kurzen Windstoß heller glühte, war das Etikett zu erkennen. Es war handschriftlich beschriftet.

„Antidot“