Heimweh

Immerschatten
23. Juni 2008 • Kommentare: 3

„Eine Ausrede die nur die Schwachen gebrauchen… bleibt schutzbedürftig… an die Gnade eines menschlichen Fürsten gebunden – Ihr werdet nie frei sein.“
Elyawyn grinste. Zumindest bleckte sie die Zähne. Heißer Zorn bahnte sich langsam einen Weg von ihrem Bauch in ihre Gedanken, Feuer in den Adern, füllte jeden Nerv bis zum Bersten. Er hatte Unrecht. Er musste Unrecht haben.

„So lange ich laufen kann, entscheide ich selbst, was ich bin und wo ich bin.“
„Und doch hängt ihr an den Ketten des Fürsten… Ketten die ihr alleine nie sprengen werdet. Und ich sehe in euren Augen, dass ihr euch die Freiheit wünscht… Freiheit die ihr nie erreichen werdet – fristet euer Leben.“

„Ihr wolltet gehen.“

Übelkeit. Dumpfe Übelkeit, dröhnend rauschte das Blut in den Ohren, stechender Schmerz im Nacken, brennende Kopfschmerzen. Wohlverdient. Selbstverschuldet.
Zu lange auf der Stelle getreten. Der Boden? – Nachgegeben, weggebrochen. Kalt der Fels im Rücken, spitz die Steine auf denen sie saß, die Erde rauh, selbst das Gras stach, statt weich zu betten. Wie immer in dieser Gegend. Es hatte sich nichts verändert, seit sie von hier geflohen war.
Das Knurren der Warge in den Ohren. Sie würden sie nicht sehen, nicht zu packen bekommen. Nachts gab es interessantere Beute.

Stunden vergingen, Stunden die ruhiger, stiller, kälter waren als die Nächte zuvor. Oder fühlte es sich nur so an? Das Schwarz des Himmels wich langsam dem Morgen. Blutrot das Licht in ihren Händen, unwirklich. Ihre Finger krümmten sich wieder, ballten eine Faust, suchten sich wieder einen Weg zur Erde, blieben dort liegen. Tau schlug sich nieder an Gräsern, bildete klare Tropfen auf Sträuchern, Bäumen, Nan-Amlug.
Ein verklärter Blick flog über die hügelige Ebene vor ihr, Augen suchten sich einen Weg nach oben, die Bergwand entlang. Düster die Zacken, die sich am roten Himmel abzeichneten, auf sie herabblickten. Dort oben war die Luft soviel klarer, der Morgen soviel frischer – Elya schloss die Augen, atmete tief ein, gepresst wieder aus. Die kalte Luft stach in der Brust, schmerzte. Minuten vergingen, die Sonne schob sich langsam über den Bergkamm, warf die ersten wärmenden Lichter ins Tal, vertrieb das düstere Rot.
Bis ein Jagdhorn in weiter Ferne die Stille brach. Leise verhallte das Echo, kaum hörbar im Tal. War es überhaupt wirklich? Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Erfolgreiche Jagd. In nur wenigen Stunden würden die Feuer brennen, die Beute gehäutet, gesäubert und darüber gehängt sein, die Felle zu neuen Decken, Umhängen, Rüstungen verarbeitet, Knochen und Hörner zu Speer- und Pfeilspitzen. Der ganz normale Tagesablauf. Es war jeden Tag so gewesen. Besprechungen am Feuer, Ruhepause vor der nächsten Arbeit, oft heiteres Lachen außerhalb der Zelte, alte Lieder, rauher Gesang.

„…doch so wird nie etwas aus euch werden.“
Sie schüttelte den Kopf, versuchte den Gedanken abzuschütteln. Erfolglos, zäh wie Teer.

Versprechen die gemacht worden waren und schon wenige Zeit später gebrochen. Spott in fremden, neuen, Gesichtern, Hohn in Worten, selbst wenn sie nur ehrlich antwortete. War es das?
Sie räusperte sich leise, schluckte eine aufkeimende Wut hinunter.
„..Freiheit die ihr nie erreichen werdet – fristet euer Leben.“

Elya hielt die Luft an, öffnete die Augen. Rauher Gesang verklang leise in ihren Ohren, ihren Gedanken, hinterließen eine seltsame Leere. Sie lockerte ihren Kragen ein wenig, erwischte dabei die Silberverzierung, die ihr der Fürst geschenkt hatte, stach sich daran in die Fingerkuppe. Verwundert, kurz erschrocken zog sie die Hand zurück, betrachtete die kleine rote Perle, die sich auf ihrem Zeigefinger bildete, den Finger hinabrann und eine feine rote Spur hinterließ.

„So wird aus euch nie eine Kämpferin.“
Hatte sie jemals, mit auch nur einer Silbe gesagt, sie wolle das? Sie wusste ja selbst, dass sie für offene Kämpfe nicht geeignet war. Zu klein, zu schwach, ungeübt. Wie lange trug sie nun ihre Waffen? Zwei Jahre, drei? Nicht lange. Den meisten Hindernissen konnte man aus dem Weg gehen, dazu brauchte es keine offenen Konfrontationen.
Sie hatte Cardaan unter halb falschem Vorwand dazu gebracht, ihr zu zeigen, was der Elb ihn gelehrt hatte – und so erfahren, vor wem sie sich in Acht zu nehmen hatte. Was auch immer er dachte, warum sie ihn um eine Demonstration gebeten hatte.
Wieder glitt ihr Blick zu den Bergen.

„Nicht jeder ist dazu geboren, die Welt anzuhalten und zu formen. Ein so ‚weiser‘ Elb sollte das wissen.“
„Doch manchen öffnet sich die Möglichkeit etwas zu bewegen.“
„Dann geht zu diesen manchen und lasst mich hier in Ruhe meine Löcher in die Luft starren.“
„Wie ihr wollt… so fristet weiter euer Leben in…. Schwäche…“

Schwäche… Ja, sie war schwach. Und sie wusste das – und dennoch immernoch am leben. Leise – und schnell, sie brauchte keine Stärke, Fässer stemmen zu können, so lange sie laufen und im Schatten verschwinden konnte.
Sollte er sie doch für schwach halten, er war nicht der Einzige und auch nicht der Letzte mit dieser Ansicht.

Jetzt, hier, den Felsen im Rücken, die alte Heimat vor sich, bekannten Boden unter sich, rauhe Gesänge in den Ohren, den Klang der Hörner – war ihr das alles egal.

  1. Rodgar sagt:

    Wie schön…*gleich nochmal liest*

  2. Alejandro Salas sagt:

    Oh Amlaras! Ich glaube, ich muß dir mal eben den Hals umdrehen!

    *die Elyawyn in den Arm nehm* Ich glaub’s ja wohl…

  3. Elmion sagt:

    Nicht nur Amlaras… Elmion hat auch noch seinen Teil dazu beigetragen,….. aber hey… sie wollt es nicht anders! ^^

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