Sechs bis Zwölf

Alrich Dorn
8. September 2008 • Kommentare: 0

6 Uhr am Abend
Atherton starrte auf die Tür, die Ellenas Gardist eben hinter ihr geschlossen hatte. Es würde sicher Stunden dauer, bis sie wiederkommen würde. Alrich knurrt leise und betrachtete den jungen Grafen, der schon jetzt begann wie ein gehetztes Tier auf und ab zu laufen.

„Benge…Herr, vielleicht solltet ihr etwas anderes tun, als Furchen in den Boden zu laufen!“  knurrte Alrich, er hatte sich das nun sicher weit über eine halbe Stunde angesehen. Atherton zuckte beinahe zusammen, was den alten Mann dazu veranlasste, noch ein wenig mehr zu knurren. „Junge, ich fress Dich schon nicht. Schon vergessen? Ihr seid hier der Graf“ Atherton unterbrach seinen Lauf und blieb am Schreibtisch stehen, in einiger Entfernung zu Alrich, der neben der Tür stand. „Stimmt. Ich bin der Graf. Dann kann ich Euch doch sagen, was ihr tun sollt, oder?“ der Alte nickte. „Fein. Erzählt mir eine Geschichte!“ Alrich blinzelte. „Warum sollte ich Dir… Euch eine verdammte Geschichte erzählen, ich bin alt, noch sitze ich aber nicht in einem verfluchten Sessel am Feuer!“ „Das kann ich sogar einrichten…also das mit dem Feuer zumindest“ erwiederte der junge Graf erstaunlich schnell.
Alrich verfluchte sich gedanklich. Warum nur hatte er dem Bengel erklärt, der könne alles befehlen. Er setzte sich auf einen Hocker, beinahe froh darum, dass es in diesem Haus keinen dieser Sessel gab, die nur dafür gemacht zu sein schienen, alte Männer zu verhöhnen…

7 Uhr am Abend
„Ich war vielleicht in Eurem Alter“ begann Alrich knurrend „als ich das erste mal als Waffenknecht diente. Im Grunde war ich nicht mehr als der persönliche Diener eines Heerführers. Sicher ich war in Waffen und musste auch an den Übungen teilnehmen, aber meine Hauptaufgabe war es, dem Herrn Heerführer seinen verdammten Arsch abzuwischen, wenn“ Alrich unterbrach sich. Atherton hingegen hörte schlicht zu. Alrich knurrte wieder einmal und fuhr dann for: „Wie auch immer. Ich war der persönliche Diener, also für alles verantwortlich, was der Heermeister eben brauchte. Pflege und Instandhaltung der Waffen, das Pferd zum Schmied bringen, wenn es nötig war, sein Essen zu besorgen, Botengänge oder das schlichte Waschen der Wäsche. Waren wir im Kampf, war es meine Aufgabe die Befehle des Heermeisters an seine Hauptleute zu überbringen und dafür zu Sorgen, dass er nicht vor Schreck vom Pferd fiel. Eigentlich eine einfache Aufgabe, aber ich habs schon verdammt früh geschafft, mich in Schwierigkeiten zu bringen…“

8 Uhr am Abend
Missmutig sah Alrich zu Atherton „So, Junge. Der Rest ist die lange Geschichte des Anfangs vom Ende.“ Atherton sah Alrich an und nickte „Herrje, was wollt ihr noch hören, Bengel?!“ knurrte Alrich. Atherton hob die Schultern „Die Geschichte, alter Mann. Graf und so, äh… glaube ich“
Knurrend fuhr Alrich fort: „Na fein… wir waren im Feld. Hinter dem Zelt des Hauptmanns gab es einen Fluss. Wie jeden Morgen besorgte ich Wasser für den Heermeister und machte mich dann zu seinen Hauptleuten auf, um ihnen zu sagen, dass der Heermeister sie sehen will. Heermeister Denorion brüllte mir vom Eingang des Zeltes nach, also machte ich kehrt, um mir seine morgendliche Tirade abzuholen. Der Mann hatte stets schlechte Laune und am Morgen eigentlich noch mehr. Er hasste es in einem Zelt zu hausen und oft lag mir auf der Zunge, ihm mal das der Manschafften anzubieten. Habe mich verdammt oft gefragt, warum der eigentlich Heermeister war, offenbar hasste er alles, was man eben so hat, wenn man Soldat ist. Angefangen bei dem Matsch, der überall war und weiter bei der Rüstung. Ich nehme an, er hätte lieber über seiner feinen Wäsche einen Rock aus Seide getragen, statt des Kettenhemdes“ Alrich ginste kurz „Kurzum, ich konnte diesen adligen Scheißkerl nicht ausstehen! Mit einer knappen Handbewegung befahl er mich ins Zelt, wo er mir die Ledertasche mit den Befehlen abnahm. ‚Bursche, wie oft muss ich dir noch eintrichtern, dass du dich vor allem um meine Belange zu kümmern hast?!‘ herrschte er mich an. Ich zuckte mit den Schultern ‚Könnt ja Euren Kämmerer in den Krieg mitnehmen, ich bin Waffenknecht und kein verdammtes Waschweib!‘ Ich nehme an, das war mein erster Fehler an jenem Tag. Wortlos drückte mir der Heermeister seine Wäsche in die Hand ‚Gib mir dein Schwert, Waschweib!‘ brüllte er, dann schob er mich samt Wäsche aus dem Zelt…“

10 Uhr am Abend
„Oh, ich wusch seine Wäsche und hätte sie am liebsten für immer im Fluss versenkt. Ich war stinksauer. Dafür war ich nicht zum Heer gekommen, ich konnte gut mit dem Schwert umgehen, der Waffenmeister hatte das oft genug gespürt, und ich saß also da und war das Waschweib eines verwöhnten Adligen. Mein Blick fiel auf den Fahnenmast, der vor dem Zelt des Heermeisters war. Dann auf das Wäschestück in meiner Hand.
Der Rest.. naja, Graf, der Rest war Dummheit, aber bis heute bereue ich es nicht. Bis heute sehe ich das Bild vor mir. Die Unterhose des Heermeisters schwang im Wind und ich betrachtete das Ganze grinsend. Dann lief ich zum Heermeister und meldete, dass ich seine Wäsche zum Trocknen aufgehängt hätte. Er grinste. Ich ebenso. Ich glaube er hat mich für idiotisch gehalten ob des Grinsens und schickte mich zu seinen Hauptleuten.
Zwei Stunden brauchte der Heermeister, dann hatte man ihm gesagt, was da vor seinem Zelt weht. Zwei Soldaten schleiften mich vor dem Heermeister, meine Hände wurden mir gebunden. Und ich? Ich grinste noch immer. Der Mann kochte vor Wut und jeder…wirklich jeder im ganzen verdammten Lager hatte diese Fahne gesehen. Ich wurde am Nacken gepackt und nach draußen gezerrt, der Heermeister folgte. Er wurde rot, dann weiß und brachte kein Wort heraus. Stattdessen winkte er einem der Soldaten. Ich wurde vor ihm auf die Knie gezwungen und erhielt die Strafe für Ungehorsam. 2o Hiebe, die Narben trage ich noch heute. Bevor ich die Besinnung verlor, konnte ich den Heermeister sehen. Er freute sich nicht etwa, weil er mich maßregeln konnte… oh Nein, der Mann sah zu seiner Unterhose, und ich schwöre, er überlegte, wie er das dem Truchsße erklären sollte“
Alrich endete. erstaunlich gut gelaunt und sah zu Atherton „Auf manche Narbe ist man sein Leben stolz. So schmerzhaft sie erworben wurde. Ich wurde nicht degradiert, geht ja kaum was unter Waffenknecht. Aber ich wurde dem neuen Heermeister als Knecht zugeteilt. Und der vermied es, mich seine Wäsche waschen zu lassen“

Mitternacht
Alrich sah der Baroness nach. Vermutlich erzählte der Junge ihr gerade, dass der alte Mann vor der Tür noch dümmer war, als sein Aussehen vermuten ließe. Aber damit würde er umgehen können. Er hatte so viele Fehler im Leben begangen, dass er schondie besseren von den schlechteren trennte. Es gab zwei, die er zu den besseren zählte…

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