Verschwinden

Nachtwind
14. Mai 2010 • Kommentare: 3

So schnell es ihr möglich ist läuft Teresa durch Bree. Tränen laufen ihre blassen Wangen herab, sie schluchzt beim Laufen, wobei ihr die Luft ausgeht. Trotzdem gönnt sie sich keine Ruhe und eilt dem Südtor entgegen und hinaus aus der Stadt. Mit brennenden Lungen und schmerzendem Herzen.Das Schlimmste, was ihr hätte passieren können, war passiert.
Der Weg von Bree nach Haberhold ist nicht gerade kurz, trotzdem legt sie ihn so schnell wie möglich zurück und fasst unterwegs keinen einzigen Gedanken. Im Haus in der Langen Straße Nummer 6 angekommen rafft sie die wenigen Dinge, die ihr gehören zusammen, stopft alles in einen Leinenbeutel – alles, bis auf fünf Goldmünzen. Ihr gesamtes Vermögen.
Ungelenk kritzelt sie Sethurs Namen auf ein Stück Papier, legt die Goldmünzen darauf und legt es neben seinen Schreibkram auf den großen Tisch.

So muss er sein Leben nicht für lächerliches Gold riskieren.

Sie gönnt sich keinen Moment des Innehaltens, sieht sich nicht mehr um, hetzt nur hinaus in die kühle Nacht, den Beutel achtlos unter den linken Arm geklemmt. Dabei entgeht ihr, dass ihr noch im Haus ein Stück Pergament, zweimal gefalten, entgeht und zu Boden fällt. Es rutscht beim Aufreißen der Tür direkt vor das Regal, welches dahinter an der Wand steht.

Die erste Nacht ist pures Grauen.
Ihr erster Griff gilt dem Branntwein. Sie hält den Schmerz nicht aus. Schreien hilft ihr nicht, Tränen helfen nicht, der Kerl den sie in der verlassenen Herberge aufgegabelt hat und grob ist, hilft ihr nicht. Erinnerung oder eine verzweifelte Suche nach einer Lösung schon mal gar nicht. Also betäubt sie sich und bemerkt daher nicht, wie der Fremde auf ihrem Lager ihr noch die letzten Silberlinge stiehlt.
Der Morgen ist geprägt von Übelkeit und zusätzlichem Schmerz, was es etwas erträglich macht. Also traut sie sich nach Bree, stiehlt einen Apfel im tänzelnden Pony. Lernt jemanden kennen, der sie retten will. So zumindest kommt es ihr vor, retten und waschen, was für ein Held. Sie hasst ihn.
Sie hasst jeden, der sie auf das blühende Veilchen auf ihrer linken Gesichtshälfte anspricht.
Das Gespräch führt Teresa durch dichten Nebel. Das sie vollkommen neben sich steht, scheint der Fremde nicht zu bemerken. Er vergleicht sie mit Kindern und Katzen. Gibt ihr Bier, lässt sich jedoch nicht ins Bett locken. Also ergreift sie die Flucht.
Später hat sie einen anderen gefunden, wieder einen Fremden. Ein fetter, hässlicher Fremder – der ihr eine Flasche Branntwein unter die Nase hält. Also lässt sie ihn und trinkt die Flasche. Allein.

Lange steht sie unschlüssig vor dem Tor der Siedlung Hierfold. Lässt sich anstarren, schmutzig, übernächtigt, nach Schnaps und hässlichen Kerlen stinkend. Doch traut sie sich nicht, ihrer Herrin unter die Augen zu treten. Mitleid würde sie zerstören, sie könnte es nicht ertragen. Gaven will sie auch nicht aufsuchen. Warum, weiß sie nicht. Sie weiß, das die Beiden ihr helfen wollen, ihr auch helfen würden. Die Heilerin hat es schon so oft getan, das letzte Mal vor einem Jahr. Damals rettete sie ihr das Leben. Aber dieses Mal…

… dieses Mal bin ich nicht zu retten. Er ist mein Leben. Er will mich nicht. Also will mein verdammtes Leben mich nicht!

Seither ist jede Nacht gleich.
Sie versucht zu schlafen, schafft es nicht. Sie krümmt sich vor Schmerz, hält es kaum aus. Sie sucht sich einen Säufer, verbringt die Nacht mit ihm dafür, dass sie an seinen Schnaps kommt. Das es schief gehen könnte, ist ihr egal. Es ist wie vor einem Jahr, als sie freiwillig in jede Klinge gesprungen wäre, nur um dem Schmerz ein Ende zu setzen.

Damals wollte ich sterben. Jetzt bin ich es … Aber warum kann ich dann noch trinken? Weinen? Schreien? Laufen? Warum verschwinde ich nicht?
Ist es, weil er bei mir war? Ist er es noch? Warum kann ich nicht verschwinden?

Eigentlich ist es schlimmer. Denn damals hatte sie noch Kraft, um Hilfe zu bitten. Damals wurde ihre Liebe nicht erwidert. Sethur hatte ihr erst erlaubt, ihn lieben zu dürfen, ehe er sie abwies – auf Geheiß des Fürsten.
Kein Fürst, kein Eid. Das war ihr erster Gedanke, als er sie von sich wegschob an jenem Abend. Instinktiv wanderte bei dem Gedanken die Hand an den Dolch. Dieser Hass liegt jedoch seither begraben unter dem  alles übertünchenden Schmerz, der sie beherrscht.

Ruhelos stolpert sie von Säufer zu Säufer, von der verlassenen Herberge aus ostwärts.
Währenddessen liegt in Sethurs Haus noch immer das gefaltene Pergament vor dem Regal hinter der Tür. Würde er es finden und ansehen, würde er in ihrer ungelenken kinderhaften Handschrift nur zwei Worte geschrieben sehen, mehrmals, weil sie heimlich geübt wurden, um ihm eines Tages bei der richtigen Gelegenheit eine Freude machen zu können:
Teresa Izhkarioth

  1. Marwa Mackenschild sagt:

    Sorry für das überzogene Drama. Teresa ist eben sehr… intensiv.

  2. Elmion sagt:

    Oh…. die tut mir richtig Leid :/

    Vielleicht gibt es die Tage mal eine Möglichkeit sie ein wenig aufzubauen? Würd mich freuen

  3. Sethur sagt:

    NUR noch traurig. *schnief* Aber ein toller Blog, trotz traurig.

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