If You can look into the Seeds of Time

Sandwind
5. Juli 2010 • Kommentare: 0

Es war der gleiche Anblick, der sich Cúronsûl hier im Breeland jeden Abend darbot: Hinter der westlichen Hügelkette der Siedlung, in der seine Herrin, Fürstin Linbeth Valdoran, vorübergehend eingezogen war, ging die Sommersonne langsam unter. Ein Schauspiel, das er jeden Tag gerne beobachtet hatte. Meist von genau diesem Punkt aus, an dem er sich jetzt befand – auf dem Dach des Gästehauses, in dem Linbeth schlief.

Dieses Mal jedoch stimmte ihn der Anblick ungleich trauriger als zuvor. Natürlich wusste er darum, dass die Sonne auch morgen wieder aufgehen würde. Natürlich war ihm bewusst, dass sie hier weit weniger heiß schien als in seiner Heimat. Und all die anderen unumstößlichen Tatsachen, die es an der Sonne eben so zu wissen gab. Nichts davon vermochte es aber ihn vergessen zu lassen, dass er bald schon nicht mehr von hier aus den Sonnenuntergang beobachten können würde. Er würde weit weg sein, glücklich darüber dort zu sein, wo er dann wäre. Doch was er dort von den Dächern der Häuser aus beobachten würde… Es würde das gleiche Licht werfen und doch völlig anders sein.

Also hatte er sich verabschiedet. Hatte gesagt, man würde sich wieder sehen und es auch gemeint. Einfluss darauf nehmen konnte er allerdings nur bedingt. Da er es nicht konnte, hatte er kurz sogar in Erwägung gezogen zu bitten, ob Briefe geschickt werden konnten. Briefe… Wasserverschwendung, schrieb man sie ohne schwerwiegenden Grund. Er, Cúronsûl, war kein solcher Grund, ungeachtet des Gewichts seines Namens. Er durfte nicht zulassen, dass ihn die Gewohnheiten hier so weit verdorben. Nein. Keine Briefe.

Während die Ziegel unter seinen Stiefeln langsam erkalteten wuchs in ihm das Bewusstsein, dass, wohin auch immer er ging, es würde immer nur der Blick in den Himmel bleiben. Ungehört, ungesehen und stets ohne Zeugen. Ohne bleibenden Beweis. Und was war schon eine Tat, von der niemand berichten konnte.

Die Nacht war herein gebrochen. In ihrer kühlen, tröstenden Umarmung würde er bald vergessen, dass es jemals wieder Tag werden könnte. Dieses Bewusstsein hieß er willkommen. Auch nicht Assad hätte ihm sagen können, was der neue Morgen brachte. Und dieser lag weit in der Ferne.

Langsam richtete sich Cúronsûl aus der Hocke auf. Der Himmel war nun schwarz. Man erwartete ihn. Zeit den Tag zurückzulassen.

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