Weltentor …

Cyrah
16. Februar 2011 • Kommentare: 4

Sie konnte die Stimmen unten noch wahrnehmen, Schritte auf der Treppe herunter in den Keller. Einen Keller, den sie selbst noch nie betreten hatte.

Langsam strich ihre Hand über den weißen Stoff ihres Nachthemdes, berührte dabei auch den schwarzen des umgenähten Umhangs. Vor ihr lagen einige Bögen Pergament und dazu Kohlestifte. Fast bis in den frühen Morgen saß sie so da, auf das leere Papier blickend, nach dem Bild suchend, welche diese, seine Worte in ihr hinterlassen hatten. Und als die Zeit gekommen war, die Zeit in der sie bei ihm hätte sein sollen. Die Zeit sich um die Vögel zu kümmern, da griff ihre Hand nach dem Stift und sie begann zu zeichnen.

Langsam kroch die Sonne über den Horizont und ihre Strahlen erreichten auch das Zimmer der Jägerin, umschmeichelten ihre Schultern in sanfter Wärme, die ihr nach der letzten Nacht dennoch kühl vorkam. Sie zog den Umhang fester um sich und sah auf das Bild, setzte den Stift erneut an und vergaß alles um sich herum. Sie aß nicht, trank nicht, ging nicht hinaus. Einzig den Stift führte sie über das Papier.

Feinster Kohlestaub verschmutzte den weißen Stoff, mehr und mehr.

Doch selbst das war ihr gleich. Sie wusste um die Wärme und dennoch verspürte sie nur einen kühlen Luftzug um und hinter sich. Der Blick, so jung an Jahren, ruhte auf dem, was bislang auf dem Papier zu sehen war, ehe sie die Augen schloss und die beiden Bilder mit einander verglich. Ihre Hand zitterte, sie sah wieder hin und führte den Kohlestift weiter. Kein Einhalten in ihrem Tun, ja nicht einmal das Anhalten der Zeit würde es verhindern können und so würde auch sie nicht inne halten.

Feinster Kohlestaub, schmiegte sich in die Fasern des Nachthemdes, ließ sich darauf bei jeder Regung verwehen, unstet und wandelbar.

Ein leises, dumpfes Gefühl, fast wie Watte, ließ sie merken, dass es bereits Mittag geworden war. Sie hob das Bild, betrachtete es und ließ den Blick zu dem ersten schweifen, welches neben ihr auf dem Boden lag. Ihre Finger zitterten und in ihrem Inneren wollte etwas aufschreien, aber sie schwieg.

Feinster Kohlestaub verwischte in den Falten des Nachthemdes, rieselte von dort zu Boden.

Es war fast Abend, als sie endlich den Kohlestift zur Seite legte. Die junge Jägerin schloss ihre Augen, als sie nach beiden Bildern griff und sie langsam anhob. Ihren Blick zuerst auf das linke gerichtet, lächelte sie schier sanft. Eine Wärme kroch in ihrem Inneren empor, fast wie eine Umarmung, nur eine einzige die Sicherheit und Trost schenken konnte. Ein kleiner Moment im Weltenlauf, kaum mehr als ein Sandkorn vor dem Weltentor und dennoch steht selbst dieses Tor auf unzähligen, solcher Körner. Ohne die es keinerlei Halt würde finden können.

Sie blickte auf das rechte der beiden Bilder und verharrte, sah einfach nur auf das Motiv. Wärme wich einer bitteren Gewissheit, liess Kälte den Vortritt und das Rascheln des Papiers verriet dessen Zittern, dessen Beben.

Feinster Kohlestaub vermischte sich mit Salz und Wasser, drang in die Fasern ein und verankerte sich im feinen Gewebe, mit diesem fortan auf ewig verbunden.

Ganz langsam stand sie auf, die blanken Füße spürten das Holz unter sich kaum, auch wenn sie es bei jedem Schritt berührten. Sie ging zu ihrer Truhe und öffnete diese, legte das erste  der beiden Bilder ganz sanft fast schon auf den Boden der Truhe, ein kleines Buch schützend darauf und schloss ihre Augen. Schloss auch die Truhe und nahm das zweite Bild mit sich.  Als sie in das Bett kroch, unter die Decke, den umgenähten Umhang zu sich ziehend und diesen wie ein Kissen immer dicht bei sich wissend. Hoffend, dass er den Geruch des Vertrauens niemals verlieren würde, überkam sie die Müdigkeit. Das Blatt Papier noch in ihrer Hand, sie hielt es fest, bis Träume sich ihrer bemächtigten und es ihr entrissen, so dass es langsam zu Boden fiel und dort liegen blieb.

Und während sie schlief warf das Schicksal selbst einen Blick auf eben jene Bilder, tauchte tief ein in die Truhe, formte sich und zeigte das Abbild des Dachses, nur ein Ausschnitt, der sein Gesicht mit dem Helm zeigte. Man konnte die Augen darunter erkennen, der Blick war warm und schier sanft. Um dem Ausdruck zu verleihen, was sie dachte, was sie fühlte, spiegelte sich in diesen Augen die Welt. Bildeten sie das Weltentor als solches selbst und zeigten das Himmelszelt in seiner Fülle. Entfernt darin konnte man ein weiteres Augenpaar erkennen, den Spiegel einer zweiten Seele, wölfische Augen, die den Wald, die Wildnis und das Leben, wie auch Liebe in sich trugen.

Dann schwenkte das Schicksal herum, schlich unter dem Bett hindurch in welchem Traum und Wirklichkeit Tränen forderten die niemand sah, derer sie selbst sich nicht einmal bewusst werden würde. Hockte sich hin und neigte den Kopf, betrachtete das zweite Bildnis auf dem Boden.

Wieder sah man das selbe, fellige Gesicht, den selben Helm,  die selben Augen und doch war es ein ganz anderes. Nichts spiegelte sich darin, nichts weiter als nichts. Sie waren leer, weiß geblieben und in ihrer Ausdruckslosigkeit geboten sie einem zu schweigen, zu schlucken, alles fallen zu lassen und zu vergessen. Der einzige Ort, an welchem man jene zweite Seele noch erblicken konnte war in einem traurigen Spiegel, welchen der polierte Helm bot. Dort fand man den zweiten Blick erneut, wölfisch und bis auf sorgenvoll, unverändert. Nicht fort, nicht fern und doch auch weder nah noch direkt. Vorhanden … das traf es wohl am besten.

  1. Drakon sagt:

    *glitzernde Augen bedeck*

  2. Cinlir Winthallan sagt:

    Was ist mit deinen Augen?! Warum kann ich mich nicht sehen in deinen Augen?!

  3. Cyrah sagt:

    Solan *schnaubend und Panzertape über des Fürsten Mund kleb* du machst alles kaputt *anklagend winsel* ^^ (aber in der Tat, dachte ich eher an ein Bild was bei mir in der Küche hängt, als an das letzte Einhorn *g*)

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