Theowalt sitzt an seinem Sekretär, …dem kleinen Schränkchen mit den Schubladen in denen doch nur das Nötigste verstaut ist. Papier, Tinte, Feder und nun auch sein Famlienbuch. Er schlägt das dicke in Leder gebundene Buch auf und beginnt darin zu blättern. Die losen Papiere schiebt er ordentlich in die dafür vorgesehen Seiten zurück und liest ab und an etwas, was vor langer Zeit mit unterschiedlichen Handschriften dort verfasst wurde. Nach den ersten Seiten überspringt er einige leere Blätter und beginnt auf Einer der darauf folgenden Seiten zu schreiben
Ich bin wieder dort, wo ich hin gehöre.
Das heißt, nicht ganz. Ich habe nun ein eigenes kleines Häuschen auf der anderen Seite des Wasserfalls und schlafe nicht mehr in der Kammer unter dem Dach im Haus der Wachen. Ich fühle mich geehrt, dass der Fürst mir angeboten hat mich dort einzurichten. „Theo, dort ist ein leerstehendes Haus, wenn Ihr also wollt, mietet es Euch“ hatte er gesagt. Nun… ich habe kaum länger als ein paar Stunden das Für und Wider abgewogen und nun sitze ich hier. Dennoch ist es ein seltsames Gefühl, nie hatte ich eine eigene Haustür die ich hinter mir schließen konnte. Sogar konnte ich im Garten eine fünfzehn Schritt lange Wäscheleine aufhängen… Fünfzehn ganze Schritte! Luftgetrocknete frische Wäsche, ich freue mich darauf.
Natürlich bedeutet es auch mehr Arbeit. Ein ganzes Haus zu putzen, den Garten in Ordnung halten… Aber ich werde es schon schaffen und es wird mich jung halten.
Doch nun das wichtigste.
Hellena, der einzige Mensch, mit dem gleichen Blut wie ich es besitze, ist tot und begraben.
Armand, dieser schmierige halbharadrische Lump von einem Wittwer, Vater, Familienoberhaupt und dazu noch mein Schwager ist dort wo er immer war. Im Haus meiner Schwester, dem meiner Eltern. Nichts ist dort, wie es in meiner Kindheit war. Es ist nicht mehr mein Heim – es ist sein… Loch.
Lia wollte nur noch Weg von dem Ort an dem ihr Vater herrscht. Sie ging zu einem Bauern, der ihr Arbeit als Magd geben wollte, dort wird es ihr besser gehen und ich übernehme die Verantwortung für sie. So habe ich es mit dem Bauern und ihr besprochen.
Himmel, viel zu lange hatte ich vergessen, dass es außer meinem Dienstherren auch noch eine Familie gibt um die ich mich hätte kümmern müssen. Erst als Armand es für nötig hielt mich nach Geld zu fragen für eine Beerdigung seiner Frau, meiner Schwester, das ich ihm schickte und er sie doch nur auf dem Armenfriedhof verscharren ließ, verlangte es mich nach ihr.
Armand… dieser schmerbäuchige Halunke. Er schrieb mir, eine Woche vor dem Tod meiner Schwester erhielt ich den Brief. – Ich lege ihn hier mit bei – Ich wusste nicht dass es so schlecht um sie stand. Was für ein schlechter Mensch ich doch bin.
Schwester bitte verzeih‘ mir.
Wir hatten nie viel gemein. Ich war 10 als sie geboren wurde, mit 14 ging ich zum Heer. Niemals spielten wir die gleichen Spiele und nichts als unser Blut und die Farbe unserer Haare und Augen ließ darauf schließen dass wir Geschwister waren. Ich hätte auch ein Bursche sein können, der gelegentlich auf ein Kind eines Nachbarn acht gab.
Hellena Ategon, so hießt sie, bis dieser haradrische Kerl ihr den Hof machte. Ein halber Südländer, darauf bestand er immer. Vater lies sich blenden, Mutter nicht, aber was sollte sie tun. Vater war froh, dass überhaupt jemand seine Tochter zur Frau wollte und Hellena war beflügelt von den Worten die Armand für sie wählte.
Hellena Sarkiz, so hieß sie dann… und so steht es auch geschrieben auf ihren Grabstein. Ich hätte lieber Ategon dort stehen gehabt, aber es gehört sich nicht, den Mann einer Frau zu missachten. Sein Wille ist Gesetz, sogar noch nach dem Tod meiner Schwester den dieser verfluchte Mann nicht einmal betrauert.
Schon jetzt wälzt sich eine neue Frau in seinem Bett. Ihren Namen habe ich bereits vergessen, wenn ich ihn überhaupt wusste. Ich glaube nicht dass er sie mir vorgestellt hat.
Was er mir vorgestellt hat, waren ihre Hüften und seine fettigen Finger, die nur drei Tage nach dem meine Schwester begraben … nein verscharrt war, schon ihren üppigen Busen begrapschten. Auch den Klang seiner Hände, die auf ihren Hintern krachten stelle er mir vor. Und immer lachte dieser Widerling hämisch. Beschmutze die Ehre meiner Familie immer weiter.
Wäre ich nicht der alte Mann der ich bin, hätte ich mehr Kraft in meinen Armen und Beinen, hätte ich ihm jeden Finger einzeln gebrochen und ihm zu guter Letzt gezeigt wer das Oberhaupt der Familie Ategon ist.
Lia, die kleine Aleolia… Das Ebenbild ihrer Mutter in jungen Jahren. Vor 13 Jahren sah ich sie zum letzen mal.
Himmel, was sage ich, klein. Nein wahrlich, klein ist sie nun mit 20 Jahren keineswegs mehr. Eine junge Dame. Die blonden Haare ihrer Mutter, auch die feinen Gesichtszüge bekam sie von ihr. Jedoch versteckt sie Diese unter den Ernsten, die ihr das Leben mit ihrem Vater beibrachte. Das einzige, so scheint es mir, was sie von ihrem Vater geerbt hat ist die leichte Braunfärbung ihrer Haut, das allerdings, so muss ich sagen steht ihr außerordentlich gut. Sie könnte ein Männermagnet sein, scheint aber an Männern kein Interesse zu haben. Wie auch, wenn der Vater so ein elendiger Hund ist.
Sie schien dankbar zu sein als ich ihr Anbot mich ihrer anzunehmen, dafür zu sorgen, dass sie eine ordentliche Anstellung bekommt. Da sah ich es zum ersten Mal, die Dankbarkeit in ihren Gesichtzügen und das Lächeln, dass ich aus ihrem kindlichen Gesicht kannte. Sie ist ein Teil meiner Familie, der einzige Teil den es noch gibt. Ich werde für sie sorgen, das versprach ich Hellena, als ich mich von ihr an ihrem Grab verabschiedete.
Ich hatte erwartet, als ich ankam, das kleine Mädchen zu sehen, dass den Mund voll mit klebrigem Honig hatte. Vielleicht, so erwartete ich, würden Worte der Abscheu und Verachtung über Lippen kommen, dass ich sie so lange verschmäht hatte. So lange gewartet hatte, zu meiner Familie zu stehen. Doch weder das Eine, noch das Andere traf zu.
Lia kam auf mich zu, umarmte mich und sagte Onkelchen!… Onkelchen, ja, überraschenderweise wusste sie noch, wie ihr alter Onkel aussah. Im Gegensatz zu Ihr hatte ich mich wohl weniger verändert. Sie ist wohl erzogen, und weiß sich zu benehmen. Aber hinter dieser Fassade, dessen bin ich mit sicher, brennt von Zeit zu Zeit das unberechenbare Feuer ihres Vaters. Es tut gut zu wissen, dass es ihr nun gut geht. Sie begleitete mich ein Stück, als ich mich gen Süden auf machte um wieder hierher zu gelangen.
Eine Weile überlegte ich, ob ich sie mitnehmen soll, den Fürsten bitten soll, einen Platz in seinem Dienst für sie zu finden. Doch ich entschied mich dagegen. Sie soll wissen wo ihre Heimat ist, ihren Platz in dem Land finden in dem sie groß wurde und dort glücklich werden. Irgendwann wird sie einen Mann finden, und ich will nicht dass dieser Mann einer der Verbrecher aus der Stadt Bree ist. So die Valar wollen, werden sie einen guten Mann für sie wählen. Ich werde den Kontakt zu ihr pflegen, ganz gleich wie lange meine Zeit auf dieser Erde noch bestimmt ist.
Ich habe unser Familienbuch mitgenommen. Armand hatte es mir nicht geben wollen. Ein Erbe seiner verstorbenen Frau hatte er es genannt. Ich hätte ihm Fast meine Faust ins Gesicht geschlagen. Er beschmutzt nur zu gern die Ehre meiner Familie, meines Namens. Ich habe ihm dann aber eindringlich klar gemacht dass sein Name nicht Ategon ist. Er hat es dann auch eingesehen. Vielleicht hat die Rippe, die knackte als ich ihn beiseite stieß, ihm das Denken erleichtert, ich weiß es nicht…
Meinen Auftrag ein Geschenk für den Nachkommen des Fürsten und seiner Frau zu finden habe ich erledigt. Drei Tage in Thal hat es mich gekostet. Viel zu viele Halsabschneider und gierige, schlechte Händler sind dort unterwegs, aber so war es schon immer. Ich denke er wird zufrieden sein.
Auch ich habe etwas gefunden was der Fürstin und ihrem Kind vielleicht gefallen wird. Ich sah einige Frauen in Thal mit ihren Kindern. Es ist ein Segen, so sagte man mir, wenn man die Hände frei hat, und das Kind dennoch bei einem ist.
Ich bin immer noch überzeugt dass es ein Mädchen wird. Der Fürst denkt etwas anderes. Aber am Ende würde er auch mit einer Tochter zufrieden sein. Eine kleine Prinzessin wäre sie für ihn.
Für den Oberritter, der während meiner Abwesenheit die junge Dame ehelichte, die ich bei meiner ersten Begegnung mit dem Fürsten, fälschlicherweise für einen Knaben hielt, habe ich auch etwas gefunden. Ich denke auch das wird ihnen gefallen. Zumindest hoffe ich es.
Nun ist es an der Zeit hinaus zu gehen und meine gewohnten Pflichten wieder aufzunehmen. Ich bin alt geworden und lange Reisen zehren mehr an den Reserven, als ich erwartet hatte.
So schließe ich fürs erste und denke, dass meine Feder eine Pause verdient hat.
Ein wunderschöner Blogeintrag und zauberhaft zu lesen 🙂
Kein Problem, Theo – ich reit da mal hin, mach den mal an – und schön is!
… Ah. Und es wird ein Junge! >.<
@ Jen: Danke
@ Cinlir: bei dem is Hopfen und Malz verloren…
und: immer diese Jungen… *g* ich bin für ein Mädchen…
Liest sich auch sehr schön, hübsch hübsch.