Irrtum

Gyroir Meroun
27. Februar 2009 • Kommentare: 0

Ich war voreilig. Das ist neu. So scheint es mir jedenfalls. Man kann mich offenbar leichter kränken, als ich dachte. Das sollte mich beunruhigen. Tut es auch. Vielleicht aber auch nur Zeichen des Wandels.

“Wandel” klingt allzu dichterisch. Das ist nicht meine Sprache. Irgendwann sollte ich meine Schreibfeder zerbrechen, ich Schwachsinniger.

Aber kein Selbstmitleid. Ich fahre fort mit dem wesentlichen:

Drakon hat mir das Kommando übertragen. Das alleinige Kommando. Auch das ist neu.  Aber es ist den Umständen gerecht. Damares ist nicht da, Drakon ist nicht da und ich wusste zuvor schon, dass es geschehen würde. Trotzdem war der Augenblick besonders. Es wird mein erstes Kommando sein. Das Schicksal soll mich dabei bestehen lassen. Das hoffe ich jedenfalls.

Ich habe keinen Zweifel an meinen Brüdern und Schwestern. Auch das habe ich gesagt. Sie sind bereits einige Zeit dabei und bisher haben sie sich gehalten. Ich hoffe, dass vor allem die Zeit sie schon einiges gelehrt hat. Die Prüfung wird Annuminas sein. Ich weiß zwar nicht, was genau uns dort erwartet, aber es wird unser kleiner Krieg und jeder einzelne von Ihnen wird lernen, was es bedeutet, wirklich im Schlachtfeld zu sein. Viele glauben nicht, dass man den Krieg nicht nur sehen kann. Man kann ihn riechen, schmecken, hören, fühlen, spüren. Sobald man in den Reihen steht, den Geruch von Angstschweiß, Stahl, Mut und so etwas wie Schicksal in der Nase und dessen Geschmack auf der Zunge, weiß man , dass man im Krieg ist. Es brauch einem niemand mehr zu sagen. Man braucht keine großen Reden mehr. Jedes Wort ist eigentlich zu viel. Befehle bellen, rennen, töten, kurz warten, schlafen, wieder rennen, den eigenen Kot irgendwo lassen, irgendwas fressen, dann wieder Blut …

Wir sollten nicht  so tun, als wären wir Helden. Das sind wir nicht. Wir sind Krieger, Soldaten. Nicht mehr. Aber wir sind Klingen. Nicht weniger.

Aber jeder einzelne von ihnen wird das noch lernen müssen. Wenn wir im Schlachtfeld sind, sie nicht mehr wissen, welche Tages- oder Nachtzeit es ist; wenn sie nicht mehr wissen, wie viele Tage schon vergangen sind und wie viele noch vergehen werden; wenn es ihnen langsam gleich wird, ob sie selbst sterben oder der Feind. Dann müssen sie sich entscheiden, ob ihnen dieser kleine Gedanke im Hinterkopf genügt, dass sie Klingen sind. Dass da andere Klingen sind. Brüder und Schwestern, die genau so leben und sterben wie sie selbst und die füreinander leben und sterben.

Man kann sehr schnell an so etwas zweifeln. Es ist ein Irrtum. Aber im Krieg gibt es viele davon. Es gibt niemanden, der sie zählt. Die Berichte über Krieg sind allesamt gefälscht. Niemand kann den Krieg beschreiben. Man kann nur über den Krieg schreiben. Krieg muss erlebt und erstorben werden. Ich werde erst ganz wissen, wie er ist, wenn sich ein Pfeil durch meine Rüstung gebohrt hat und ich merke, wie mein Atem entweicht. Oder wenn ein Ork mich ausweidet oder was weiß ich.

Jeder von ihnen muss dorthin. Jeder von ihnen in gleicher Weise. Ihre Schwüre müssen jetzt halten. Und das alles nur für die Chance, einen Bruder wiederzufinden, den sie zum größten Teil nicht einmal kennen. Sie werden wahrscheinlich zweifeln. Aber sie werden es durchstehen. Ich habe keinen Zweifel.

Mein Irrtum ist vorüber.

Wir sind Klingen.

Uns ist der Zorn.

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