In Jahren

Marwa Mackenschild
4. Mai 2010 • Kommentare: 5

Seit den frühen Morgenstunden scheuchte Marwa die Gruppe von sechs Mädchen und Jungen durch die Stadt. Vorwarts laufen, rückwärts laufen, sogar seitwärts – das jedoch nur zum persönlichen Vergnügen. Sie ließ sie mitzählen und hieß sie bei jedem zwanzigsten Schritt ihre Waffen auf den Boden fallen zu lassen und wieder aufzuheben. Wer heute seine Handschuhe vergessen hatte, würde  diese Nachlässigkeit bis in alle Ewigkeit verfluchen.
Sie selbst trottete bequem auf Friedwart XIII. Hinter ihnen her, in der einen Hand den Flachmann, in der anderen Hand einen saftigen Apfel aus dem Garten der Izhkarioths. Mit ihren mittlerweile 65 Jahren nahm sie es sich einfach heraus, ihre Kondition nicht ständig unter Beweis zu stellen. Die Schüler, die es wagten sie in Frage zu stellen, hatten in der Regel nicht mehr viel Spaß in ihrer Ausbildung. Das hatte sich herum gesprochen..
Der Lauf für die Kinder ihrer Freunde würde bald ein Ende finden. Dann wurde es Zeit für eine kleine Mittagsruhe, ehe sie am Nachmittag die versprochenen Übungskämpfe der Kinder mit ihren Vätern beaufsichtigen musste. Fast alle hatten sich angemeldet, selbst Sethur. Freiwillig.
Ihr Blick wanderte zu dem schwarzen, unordentlichen Lockenschopf eines der Jungen. Hoch gewachsen, frech wie Rotz und mit den 15 Sommern, die er erst gesehen hatte schon ein Frauenheld sondergleichen. Er ließ keine einzige Gelegenheit aus, die Mädchen in der Gruppe davon zu überzeugen, dass er der Beste von allen war. Nicht nur das, auch der Schönste. Ganz sein Vater eben, ein eitler Idiot. Bei jeder Gelegenheit, die sich ihm bot, versuchte er den Sohn des Fürsten auszustechen – oder seiner Schwester schöne Augen zu machen.
Marwa war froh, als sie hörte, dass zumindest Letzteres endlich ein Ende hatte, denn die Prinzessin wurde weggebracht. Andere Worte hatte sie dafür nicht. Weggebracht und verkauft.
Cinlir hatte zur Belohnung seiner Entscheidung die Zukunft seiner Tochter betreffend einen vorgeschobenen Übungskampf mit Marwa ausfechten müssen – und dabei wie zufällig beide Kniescheiben eingebüßt. Nicht für immer, aber lange genug, um einen Standpunkt zu untermalen.
Immerhin war er manns genug, es hinzunehmen und auszusitzen und sie selbst war dreist genug, sich diesen Widerstand trotz Eid und Freundschaft zu leisten, sozusagen als das gute Gewissen dieser Stadt, für das sie sich hielt.

„Einer mit Verstand muss euch ja begleiten.“
Mit diesen Worten hatte sie vor Jahren ihr Bündel gepackt, das Lager in Giselhers Garten aufgegeben und den Haushalt nach Gondor begleitet. Warum nicht. Man hatte ihr ein kleines Haus zugesprochen, ein bißchen außerhalb, aber so gebaut, dass es fast wie ein Smial war. Ein gondorisches Smial mit einer Schmiede nebenan und einem großen Fliederbusch am Schlafzimmerfenster.
Seitdem hatte sich fast alles so entwickelt, wie es sein sollte. Das zumindest dachte Cinlir. Was Marwa hinter den Kulissen trieb, mit ihren Schülern, mit ihren Freunden, ging ihn nichts an.
Die Kinder lernten kämpfen, sie suchte ihnen die passenden Waffen aus und schmiedete sie selbst. Sie hütete ihre Geheimnisse, ihre Sorgen und sorgte immer dafür, dass sie nicht in Schwierigkeiten gerieten, die sie selbst nicht einzuschätzen wussten. Deswegen zog sie den Izhkarioth-Spross immer wieder an den Ohren von den Mädchen weg, vor allem von der Fürstentochter. Sicher ist sicher, auch in seinem Alter.
Aber es waren nicht nur Kinder, die sie unterrichtete. Bryanne hatte ihr einiges zu verdanken. Zwar war es nicht mehr notwendig, weil sie sich der Mutterschaft verschrieben hatte, aber ihre Freundschaft war seither unzerstörbar. Auch sie hatte ihre Geheimnisse und Sorgen und auch dafür nahm Marwa sich immer wieder Zeit. Schließlich konnte sie nichts dafür, das sie ausgerechnet an einen Holzkopf wie Giselher geraten war. Giselher macht immer alles richtig, denkt er. Zu richtig, denkt Marwa. Aber sie sind glücklich. Sollte sich das jemals ändern, bekommt er Probleme.

Dieselbe Drohung hatte sie Sethurs Frau zuteil werden lassen, damals, auf der Hochzeitsfeier. Merkwürdigerweise musste das dürre Gerippe nicht lachen, machte sich nicht lustig und reagierte auch nicht höflich-zurückhaltend. Nein, sie schien es ernst zu nehmen. Viel zu Ernst.
Die Beiden unterhielten seither in unregelmäßigen Abständen die gesamte Stadt mit leidenschaftlichem Streiten. Oder leidenschaftlichem…. Ehetreiben. Sie selbst fand das lustig, alle anderen fanden daran viel Gesprächsstoff.
Gesprächsstoff, der zumindest nicht mehr das Wörtchen „krank“ enthielt.

Ein Fanfarenstoß brachte Leben in die mittlerweile keuchenden und erschöpften Schüler zurück. Wachwechsel. Gleich würde Cardaan an der Spitze seiner Garde an ihnen vorbei reiten. Marwa brachte Friedwart zum Stehen.
„Ihr kennt das Spielchen. Stellt euch auf.“
Seit Ankunft in Minas Faer hatte Marwa jeden Schüler, der unter ihre Fuchtel trat, ein gewisses Maß an Disziplin für Augenblicke wie diese gelehrt. Sie hatte Gefallen daran gefunden und es im Laufe der Jahre weiter ausgebaut.
Cardaan hatte seine spektakuläre Garde, Marwa hatte ihre Schüler. Sie trugen alle denselben Waffenrock, sortierten sich nach Größe in einer Reihe und salutierten dem Hobbit auf Zuruf.
So blieben sie stehen, bis die Garde passieren konnte und Marwa den anerkennenden Blick Cardaans genießen durfte. Immerhin waren die meisten „nur“ Kinder.
Heute abend, beim wöchentlichen Treffen ihrer Freunde in der Taverne würde sie damit angeben, dass ihre Garde eindrucksvoller sei, als seine. Herrliches Besäufnis würde es werden.

„Zum Ende der Straße, dann geht’s nach Hause. Wir sehen uns dann heute Nachmittag, vergesst eure Väter nicht. Flusswieser, das gilt natürlich nicht für dich.“

Marwa Mackenschild sah ihren Schülern noch nach. Der Izhkarioth-Sproß wie immer zwischen zwei Mädchen laufend, vermutlich die Aldorn-Mädchen, was sie auflachen ließ und ihren Blick zu dem Haus lenkte, das am Ende der Straße neben dem Fürstenhaus stand. Und tatsächlich, eine dunkle Gestalt auf dem Balkon.
Mittagessen bei den Izhkarioths. Warum nicht?

  1. Theowalt sagt:

    Sehr hübsch… *nickt*
    Heri… guck was du alles verpasst… wegen Sethur… der Sack… *lacht*

  2. Marwa Mackenschild sagt:

    Ich hab ihn nicht tot geschrieben, nur Übungskampf-unfähig.

    Warte auf Teresa 😀

  3. Cinlir Winthallan sagt:

    Alle gegen Sethur! 😀

  4. Heridan sagt:

    *schnüff* Der arme Heridan!

  5. Sethur sagt:

    Ahnt ihr, wie geil das ist, an allem Schuld zu sein? Haaach. *genieß*

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