Mondmädchen

Gwaethil Eglainion
11. Juli 2010 • Kommentare: 2

Die Bäume flüstern leise. Der Mond thront am Himmel. Ihm gehört die Nacht.
Ich liege auf Moos. Es ist weich und warm. Kein Eisen beschwert meinen Leib, keine Lederschnallen erschweren mein Atmen. Ich fühle mich unbeschwert und jung. Ich denke nicht darüber nach. Es ist gut und richtig. Natürlich bin ich hier. Dies ist meine Heimat.
Ich bin glücklich.
Mein Brustkorb hebt und senkt sich gleichmäßig. Das Dunkel ist weit weg. Das Große Lied erklingt ohne Fehlklang. Es ist richtig.
Die Mondin kommt. Meine geliebte Mondin. Cúronil. Ein weises Kind, weitblickend und hell. Sie kommt nicht, erkenne ich jetzt, sie hat mich gerufen, und nun bin ich bei ihr, liege in ihrem Moos.
Steht sie? Schwebt sie? Schwebe ich? Ist das wichtig? Keinesfalls. Wie alles duftet nach Leben und Reinheit!
Sie trägt ein Kleid aus Mondlicht. Es streicht über meine Haut, ich spüre ein sanftes Kitzeln und muss lachen. Wir sind wieder Kinder im Garten. Und wir sind allein, deswegen gehört er heute uns. Glücklich ist der, für den sie sich eines Tages entscheidet.
„Bist Du glücklich?“, fragt sie.
Ich nicke. Mein Mund verweigert seinen Dienst. Aber das ist egal. Jetzt ist nicht die Zeit zu sprechen. Nicht für mich. Ich lausche dem Mond.
„Dies ist Deine Heimat. Hier nur kommt Dein Herz zur Ruhe.“
Sie nimmt meine Hände und zieht mich zu sich.
„Lass uns fliegen.“
Sie trägt mich durch die Luft. Ich staune schweigend. Aber ich bin nicht überrascht, daß sie über diese Macht verfügt. Ich weiß es. Ich kenne sie seit dieser Geburt.
„Sieh, die Sterne singen am Himmel. Jeder ist ein Gedanke.“
Ihre schmalen Finger malen Bilder in den Nachthimmel.
„Ich habe sie gemacht. Für Dich. Ich bin ein Teil von Dir. Und Du bist ein Teil von mir. Sie sind jetzt für Dich.“
Ich betrachte all das staunend.
Da plötzlich sieht sie mir in die Augen, und ich sehe ihre tiefe Wunde.
„Du fehlst mir.“
Als wäre ich plötzlich zu schwer, sinken wir nach unten, bis meine nackten Füße wieder das weiche Moos spüren. Sie lässt mich langsam zu Boden gleiten. Ich habe keine Macht über meinen Körper, also gehorche ich ihr willenlos.
„Ich werde Dich wiedersehen. Du bist ein Teil von mir. Und ich bin ein Teil von Dir. Nichts kann Deinen Weg vor mir verbergen.“
Sie berührt mit ihren Händen mein Gesicht. Ich genieße es. Ich brauche es. Dann schließt sie meine Augen. Der Geruch des Mooses und der Klang des Großen Liedes vergehen.
Es ist Herbst. Die Blätter fallen. Die Zeit des Abschiedes.
„Ich werde Dich wiedersehen.“, flüstert sie nocheinmal von weit weg. Doch ich weiß, daß sie nicht weit weg ist. In Wirklichkeit ist sie nicht mehr da.

Gwaethil öffnet die Augen. Sie durchdringen die Nacht. Alles ist noch beim Alten. Die kahle Decke, das spärlich eingerichtete Haus, für dessen Einrichtung er einfach noch keine Zeit gefunden hat. Das Geräusch des Wassers unten ist zu hören. Und selbst die festen Schritte des diensthabenden Wachmannes, der durch die Siedlung patrouliert, ist bis hier zu hören. Die ersten Vögel begrüßen den baldigen Tag. Nichts hat sich verändert.
Aber er spürt einen seltsamen Stich. Und Träume, so weiß er, bedeuten immer etwas.
Er geht zu einem der Fenster und sieht zum Himmel hinauf. Dort oben thront der Mond. Ihm gehört die Nacht.

  1. Cinlir Winthallan sagt:

    Alte Sandwindweisheit: All water must bow to the moon.

    Der muss noch mit dir reden!

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