Sturmnacht

Najisa Weissblatt
11. Juli 2010 • Kommentare: 2

http://www.youtube.com/watch?v=PSDCL1U6zOE

Die Strahlen der untergehenden Sonne senkten sich – wie der gnadenlose Hieb eines Schwertes – auf die höher gelegenen Kuppen der Berge nieder. Das Vergehen ihres Glanzes hüllte die Ödnis langsam ein und tauchte sie in fahles Zwielicht. Auch die Krähen, welche noch ihre Kreise am Himmel zogen, mit durchdringendem Rufen und hallenden Schlägen der Flügel, verstummten immer mehr, bis nur noch das Rauschen der Blätter der wenigen Bäume übrig blieb, die vereinzelt aus dem Geröll empor ragten. Stille brach über das Land herein, über die Felsen und das Grün; nur noch vage die Erinnerung des Lebens an diesem Ort, der wie ein übler Beigeschmack haften blieb.
Dumpfe Hufschläge trafen auf die staubige, trockene Strasse, ihr Echo weit mit sich heraustragend, während Steine knirschten und Äste brachen unter jedem wiederhallenden Schritt.

„Gehe erhobenen Hauptes hinaus. Zeige niemals deine Schwäche. Denn Die, die um sie wissen, werden sie nutzen um dich niederzuringen. Gehe jetzt. Und sieh‘ nicht zurück.“

Das Tier war schlank, sehnig gar; die ausgeprägten Muskelpartien, die lange, dichte Mähne und das stete Auschnauben der Nüstern bargen eine Kraft in sich, die an Ausdauer kaum zu überbieten war.
Das dunkle, schweißnasse Fell schimmerte in den letzten, sich aufbegehrenden Sonnenstrahlen im matten Ton, wie schwarze Perlen in einem klaren Flussbett. Leder des Zaumzeugs und des Sattels knarzte leise mit jeder Bewegung, mit der das Pferd sich seinen Weg durch die karge Landschaft bahnte. Jegliches Zeitgefüge war verloren. Selbst der Durst schien dem Bestreben des Tieres kaum einen Abbruch zu tun; stoisch setzte es seinen Weg ohne ein Zeichen des Widerwillens fort.

„Du weißt, daß ich es nicht kann. Nicht hier. Nicht jetzt.“

Man konnte das Gesicht nicht sehen. Selbst im hellen Tageslicht blieb es den meisten Vorbeireisenden verborgen. Der dunkle Stoff der Kapuze schien jeglichen Blick auf das Gesicht der schlanken Gestalt nahezu vernichtend zu unterbinden. Schlichte Reisekleidung verdeckte den Körper, von dem man kaum erahnen konnte, welchem Wesen er nun gehörte. Abgewetzte Lederbeutel waren am Sattel mit grobem Seil befestigt, welche im Gleichschritt des Pferdes wie Fahnen wankten. Ab und an, wenn ein Luftzug, der zarten Berührung einer Liebenden gleichend, den Umhang zur Seite zwang, brach aufblitzend der Stahl der Klinge das Licht der Sonne entzwei.

„Mit jedem Schritt, jedem Atemzug, sehe ich ihn vor mir. Sehe seinen Blick, seine Hoffnungslosigkeit. Wie er stirbt, vor meinen Augen. Ich konnte es nicht verhindern. Und jetzt ist es leer, dort, wo einst sein Platz war.“

Der Wind frischte auf. Der Mond hatte sich kaum hinter den Bergen aus seinem Schlaf hervorgestohlen, als die ersten Wolken ihm diesen Triumph seines Aufganges verweigern wollten. Wie erdrückende, heranrollende Wellen glitten sie immer weiter über das Firmament, sich fordernd wie ein Schatten über die Düsternis zwingend. Ein dunkles Grollen in der Ferne. Er kam näher.

„Es gab Zeiten, da hätte ich es bereut. Aber nun ist es anders. Es war niemals einfach. Weder damals, noch heute. Und auch in Zukunft wird es immer wieder Grenzen geben, die wir durchstossen müssen. Doch meine existieren nicht mehr.“

Langsam hob sich der verhüllte Kopf dem Dunkel entgegen. Der Blick, müde und verzehrt, schwenkte über die fast pechschwarze Nacht hinauf gen Himmel. Nur ein sachter Druck der Stiefel in die Flanke des Tieres; schneller flogen die Schemen der finsternisumhüllten Vegetation an Ross und Reiter vorbei. Weiteres, unheilsverkündenes Donnern durchbrach die Stille ein neuerliches Mal – einem vor Hunger brüllendem Raubtier nachklingend.

„Die Konsequenz daraus musst du tragen. Deine Erwartungen an dich selbst waren schon immer zu hoch. Versuch wenigstens, nicht daran zu zerbrechen… Du kannst nicht Alles schaffen. Du kannst nicht Alles abwenden. Das ist der Lauf der Dinge. Ich weiß, daß dir Stärke innewohnt, du gewachsen bist an deiner Selbst. Aber hör‘ auf damit. Meine Liebe zu dir ist ungebrochen, auch wenn Fehl dir wiederfährt.“

Die ersten schweren Tropfen lösten sich aus ihrem Wolkenkäfig, fielen hinab wie harte Steine und schlugen dumpf auf den ausgedörrten Boden auf. Die zunehmende Brise trieb die beiden Verlorenen weiter vorran – das raschelnde Blattwerk der Bäume erklang nunmehr wie ein rauschender Wasserfall, der sich mit ungekannter Stärke zum Fuße der Berge herunterstürzte.

„Ich hoffe, du wirst finden, was du suchst. Und du wirst niemals Reue empfinden für das, was du dir auserkoren hast. Du wirst beschützt. Dessen bin ich mir sicher. Achte auf deinen Weg, auch wenn du ihn schon einmal gegangen bist. Er ist nun ein Anderer.“

Er war da. Aber sie war schneller.

  1. Sethur sagt:

    *blinzel* Das ist mal absolut toll geschrieben. *noch mehr blinzel*

  2. Da hasde wohl recht, ist es!
    Und es erinnert mich an jemanden.

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