Seit Stunden sass sie wach in ihrem Bett und betrachtete das Kohlenbecken, das in der Ecke des Zimmers stand. Lediglich ein schwaches Glimmen war von dem Feuer geblieben, dass sie kurz nach Sonnenuntergang entzündet hatte, so dass ein trübes Zwielicht das Zimmer beherrschte. Die Möbel schienen manifestierte Schatten zu sein, welche wie böse Geister darauf warteten, dass auch die letzte Kohle ihr Lebensspendendes Licht verlor und alles der Dunkelheit preisgab.
In dieser tristen Umgebung sass sie nun bereits seit Stunden in ihrem breiten Bett, mehrere Decken über den Körper gelegt und sah unentwegt in ihre Hand, in welcher ein kleines Behältnis lag. Immer wieder drehte sie die kleine, zerbrechlich wirkende Phiole in ihrer großen Hand hin und her. Sah zu wie sich der farbige Inhalt bewegte, sich das schwächer werdende Licht durch das Glas brach oder hin und wieder ihre Gesicht widergespiegelt wurde. Langsam drehte sie ihren Kopf zur Seite, wo eine große rote Kommode stand, welche sie im Verlauf des Abends schon mehrmals angesehen hatte. Es drängte sie danach mit jemanden zu sprechen, doch gab es niemanden dem sie sich hätte mitteilen können. Niemanden außer einer Person, doch dieses schien schon lange zu schlafen und sie wollte Sie nicht wecken, schließlich war es schon spät in der Nacht. Kurz dachte sie an den Spiegel in ihrer Kommode, würde sie ihn nehmen würde Sie bestimmt wach werden und mit ihr sprechen, aber das konnte sie nicht. Der Spiegel war nur für besondere Situationen und sollte ruhen, außerdem würde er nur wieder die Erinnerungen wach rufen. Erinnerungen an ihr altes Heim. Den Verlust, die Einsamkeit, die Schwarzwolds und das viele Rot. Irritiert sah sie in ihre Hand, als sie spürte, dass dort etwas Feuchtes war. Sorgvoll betrachtete sie die Phiole, welche sie genau vor das letzte Licht des Kohlebeckens hielt, doch sie hatte keinen Riss oder war aufgegangen.
„Warum weinst du?“
„Oh, habe ich dich geweckt. Das wollte ich nicht.“
„Wenn du es nicht gewollt hättest, würdest du nicht seit Stunden wie ein kleines Kind in deinem Bett hocken. Wie soll man da schlafen.“
„Wohl wahr, aber ich wollte mit dir reden, es ist so vieles geschehen.“
„Hat den dies nicht bis Morgen Zeit, es muss schon nach Mitternacht sein.“
„Nur ein wenig, bitte.“
„Na gut.“
„Es ist so vieles geschehen in den letzten Tagen, ich weiß nicht wo genau ich beginnen soll.“
„Vielleicht am Anfang?“
„Ja. Die Herrin ist zurückgekehrt, ich war überglücklich als ich sie in Schlucht erblickte. Sie erlaubte mir einige Zeit mit ihr verbringen zu dürfen und ihr dienlich sein zu können, es erinnerte mich teilweise an damals. Schon lange habe ich mich nicht mehr so gut Gefühlt. Sie nahm mich einfach hin und ließ mich sie umsorgen, es war so wie es sein sollte.“
„Hm, du konntest dein Naturell voll und ganz ausleben und dich endlich wieder einer Hand beugen.“
„Ja, ja, so könnte man es sagen. Sie trug mir allerlei Dinge auf. Ich wartete auf ihre Worte, als sie sich mit ihrem Zukünftigen traf, ich glaube übrigens an diesem Abend ist etwas besonderes zwischen den beiden geschehen, aber ich habe natürlich nicht hingehört.“
„Du grinst wie ein verschmitztes Mädel, obwohl du schön brav außer acht bliebst.“
„Es hätte sich wohl kaum gehört, die Herrschaften zu belauschen.“
„Lassen wir dies, ich wollte dich nicht unterbrechen.“
„Es war einfach nur schön, zu wissen dass sie dort ist und mich ihr dienen lässt. Das sie mit mir redet, Zeit verbringt. Auch wenn ich eigentlich nichts Besonderes für sie tun kann. Wie den auch, als Magd.“
„Plag dich nun nicht mit finsteren Gedanken, du bist doch froh. Hast du ihr das Diadem geschenkt, von dem du mir erzählt hast?“
„Ja, sie schien sich darüber zu freuen, aber leider überschattete eine Verunstimmung dies.“
„Inwiefern?“
„Ach, ein blödes besoffenes Gör hatte mit ihrem Aufpasser Streit oder dergleichen, als ich nachsah und die Herrin später nachkam, fiel ich ihr ausversehen ins Wort.“
„Verstehe.“
„Sie war unzufrieden mit mir, es tat mir unendlich leid, aber…sie hat mich nicht gezüchtigt, nur ermahnt. Glaubst du sie ist unzufrieden mit mir?“
„Das kann ich dir nicht sagen, du müsstest mir da schon mehr erzählen, wieso machst du dir Sorgen, schließlich verstieß sie dich nicht.“
„Aber, ich wurde bisher immer bestraft, wenn ich etwas falsch machte. Nie hat jemand…mir so was wie Gnade zukommen lassen.“
„Vielleicht weil sie nicht voller Bösartigkeit ist, wie jene denen du bisher dientest, sieh es als gutes Zeichen und nun, gibt es noch mehr. Es ist wirklich schon spät…“
„Ich habe außerdem noch Rodgar getroffen, aber irgendwie schien er nicht ganz bei sich zu sein.“
„Wie soll man dass auch, wenn man glaubt einen Wolf in sich zu haben.“
„Das klang fies! Aber er war komisch, ich glaube er war in der Stimmung…zu jagen und zu töten. Er wollte mit mir, spielen wie er sagte. Zum glück war die Elbe dort, ich glaube Íverîn war ihr Name.“
„Warum, hattest du Angst ihm weh zu tun?“
„Nein…ich…“
„Vergiss nicht was du bist, Liebste. Oder muss ich dir erst wieder einige Erinnerungen ins Gedächtnis rufen?“
„NEIN!“
„Sehr gut. Gibt es den sonst noch etwas? Was zum Beispiel hat es mit dieser Phiole auf sich?“
„Das wollte ich dir schon eben erzählen, dass ist ein Duftwasser, dass mir Frau Lysawyn geschenkt hat.“
„Geschenkt? Man dir etwas geschenkt?“
„Ja, ich war auch vollkommen überrascht, aber sie schenkte es mir, weil ich ihr geholfen habe. Als, Denk.“
„Seit Jahren hat dir niemand etwas geschenkt und wenn, dann waren es Schmerzen oder ein Brandmal. Denkst du wirklich, es war ein Geschenk und kein Honorar für deine Dienste?“
„Nein, sie schien es wirklich so zu meinen. Sie sagte sie habe es eigenes für mich angefertigt und es riecht einfach wunderbar. Ich war so voller dank, ich wusste nicht was ich tun sollte.“
„Vielleicht hast du in diesem Haus wirklich Menschen gefunden, die dich…akzeptieren.“
„Ich bin mir da sicher, auch wenn manche mich wahrscheinlich nicht wahrnehmen. Dies verlange ich aber auch nicht, ich freue mich nur, dass sie mich bei ihnen sein lassen und nicht fortschicken, wie alle anderen es immer tun. Oder mir sagen, ich solle doch die Freiheit genießen.“
„Lass uns bitte schlafen, ja?“
„Ja, nur eines noch, darf ich das Geschenk zum Spiegel legen?“
Das letzte Stück Kohle verlosch und vollkommene Dunkelheit erfüllte den Raum. Sie bekam keine Antwort mehr. Vorsichtig legte sie die kleine Phiole beiseite damit ihr in der Nacht nichts geschah. Sie zog die Decken über sich, machte sich die Kissen zu Recht und schloss die Augen.
„Gute Nacht…“
Schlaf legte sich über ihren Verstand, doch es war kein ruhiger. Fragmente längst vergessener Tage durchzuckten ihren Geist, wie Blitze in einem Gewitter. Das Rot in ihrem alten Heim. Das grausame Lachen der Brennil. Demütigungen, Pein, Kampf und Zerstörung. So vieles was sie nicht wollte, so vieles was sie vergessen wollte. Doch es schlich sich wie ein Warg zurück in ihre Erinnerungen. Und dann waren da wieder diese Wörter, diese unsäglichen Begriffe welche die Brennil ihr beibrachte. Diese Dinge, welche mit N begannen und ein jeder hasste und verachtete. Erst spät am Morgen fand ihr Verstand wieder ruhe.
ooc: Oh, der Titel des Eintrages gefällt mir!! Welch‘ Doppeldeutigkeit. *nickt* Wieder sehr spannend zu lesen!
ooc: Sehr schön geschrieben. Ich lese deine Geschichten sehr gerne 🙂