Sachte verschloss Laerien die Türe hinter sich, sie ging sogleich in ihr Schlafgemach um sich dort auf ihr Bett zu setzen. Ihre Finger tasteten nach dem Brief in ihrer Hand, den Brief ihres Vaters an sie. Die lange Zeit des umklammerns hatte ihre Spuren auf ihm hinterlassen, er war leicht zerknittert, doch das schien sie nicht zu stören. Ihre Finger strichen über das eine Wort welches auf dem Umschlag stand „Laerien“. Sie erkannte die geschwungene, saubere Handschrift ihres Vaters.
Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, wie eigentlich schon den ganzen restlichen Abend, ob das nun standesgemäß war oder nicht, das interessierte sie heute nicht im geringsten. Als der Fürst ihr die Nachricht vom Tode ihres Vaters mitteilte, hatte sich in ihr eine unsägliche Leere breit gemacht, gemischt mit einer tiefen Trauer und jene würde sie auch zum Ausdruck bringen, gleich wer sie so sehen würde. Sie hob ihre rechte Hand, in dieser hielt sie noch immer das Tuch, das Sir Giselher ihr vor Stunden reichte und mit dem sie bereits so einige Tränen getrocknet hatte.
Auch wenn sie neugierig gewesen war so wollte sie den Brief nicht lesen, nicht wenn noch jemand bei ihr war. Es waren die letzten Worte ihres Vaters an sie und wie sie ihn kannte, hatten sie sicherlich viel zu bedeuten. Plötzlich erhob sie sich wieder von ihrem Bett und ging hinüber in das andere Zimmer des Hauses. Den Brief noch immer in der Hand, hängte sie ihren Teekessel über das Feuer. Tee..hatte sie immer mit ihrem Vater getrunken, dabei hatte er ihr immer viel erzählt und nun wollte sie auch Tee haben wenn sie die letzten Worte lesen würde.
Sie starrte einfach nur in die Flammen des Kaminfeuers, ihre Gedanken hingen an ihrem Zuhause, an ihrem Vater, an all den glücklichen Momenten welche sie dort erlebt hatte und welche nun nie wieder kehren würden. Das Lächeln ihres Vaters als er sie angesehen hatte, die Grübchen die sich dabei um seine Lippen legten, dazu das Glänzen seiner klaren, blauen Augen, sie würde es nie vergessen und sie würde viel darum geben es noch ein einziges Mal sehen zu können, nicht nur in ihrer Erinnerung.
Begleitet von einem leisen Seufzen füllte sie den Tee in einen Becher ehe sie noch einen zweiten heran zog den sie ebenfalls füllte. Mit beiden Bechern ging sie wieder in ihr Schlafgemach doch ehe sie sich dort erneut auf ihrem Bett niederließ ging ihr Blick zum Fenster. Die Nacht war immer noch sternenklar. Langsam ging sie auf das Fenster zu, ihr Gesicht ganz dicht an jenem, so dass ihr Atem die Scheibe beschlagen ließ. Laerien stellte beide Teebecher am Stuhl ab, ehe sich ihre Finger an den Griff des Fensters legten um jenes zu öffnen, es sollte kein Glas zwischen ihr und „Ihm“ sein.
Es dauerte ein wenig bis sie „Ihn“ sah, doch dort hinten, zwischen den Baumkronen sah sie ihn dann. Den kleinen, hell leuchtenden Stern. Sie hatte ihn vorher ausgesucht nachdem Sir Giselher seine Geschichte erzählt hatte, von ihm und seiner Mutter und den Stern den er für sie ausgesucht hatte, der „Sie“ war und der nun jede Nacht am Himmel stand und, falls „Sie“ nicht von Wolken verdeckt war, auf die Welt hier herab strahlte und sein sachtes Licht aus sandte. Es war ein schöner Gedanke, ein sehr schöner Gedanke. Er war weit weg und unerreichbar aber doch war er hier, doch konnte sie ihn sehen, aus der Ferne.
Sie nahm die beiden Teebecher vom Stuhl, beide auf dem Fenstersims abstellend, ihre Hände glitten an das Siegel des Briefes, das Siegel des Hauses ihres Vaters. Sachte strichen ihre Finger darüber, sie konnte ihren Vater, in ihrem inneren Auge sehen, als er das Siegel auf den Brief setzte. Dann öffnete sie es möglichst behutsam. Laerien nahm den Brief, der nur für sie bestimmt war, heraus. Wie immer war die Schrift ihres Vaters säuberlich und geschwungen, jeder Buchstabe erschien wie gemalt. Ihre Hand glitt an einen der Teebecher, sie schob ihn so weit es geht zu „Seinem“ Stern, den anderen nahm sie dann an sich und pustete sacht darüber, ehe sie einen kleinen Schluck nahm. Dann fiel ihr Blick auf den Brief, die letzten Zeilen ihres Vaters an sie.
Meine liebste Laerien,
Du glaubst nicht wie schwer es fällt Dir diese Zeilen zu schreiben, denn es werden die letzten Worte sein die ich an Dich richten werde. Ich bin kurz davor, jedes meiner Worte abzuwägen, sollen sie doch die richtigen sein, denn auch ich bin nicht immer in der Lage die richtigen Worte zu finden, erst recht nicht im Moment. Ich sitze hier und kann auf ein langes Leben zurückblicken, es gab Höhen und es gab Tiefen, wie wohl in jedem. Aber ich kann sagen das jedes Deiner Lächeln die letzten 18 Sommer mein Herz auf ein neues erhellt haben. Behalte dieses Lächeln bei Dir, ebenso wie Deine Erinnerung an mich. Vielleicht kannst Du inzwischen verstehen weshalb ich Dich in die Breelande geschickt habe, zumindest hoffe ich dass Du es kannst, nein ich weiß es.
Ich will ehrlich zu dir sein, ich bin krank, deshalb habe ich dich weg geschickt. Ich wollte nicht das du deinen alten Herren leiden siehst. Ich konnte es dir nicht sagen, ich habe es versucht aber ich konnte es nicht, zudem bin ich mir sicher dass du dann nicht gegangen wärst. Eben das, wollte ich nicht, es war mein Wunsch so und ich bitte dich ihn zu respektieren, wenngleich du ihn sicher im ersten Moment nicht verstehen kannst, so doch irgendwann, dessen bin ich mir sicher. Du musst dein Leben nun als eine Art Neuanfang sehen, es hat sich sicher vieles verändert für Dich, vielleicht einiges zum besseren, vielleicht einige Dinge zum schlechteren. Inzwischen ist aus Dir eine junge, hübsche und kluge Frau geworden und solltest Du bald einen Mann finden, wirst Du jenen sicherlich jeden Tag auf das neue erfreuen.
Du hast mir bei Deiner Abreise versprochen auf den Fürsten zu hören, seine Worte zu achten, dieses Versprechen sollst Du auch weiterhin halten, ebenso wie jenes das Du dort, wo du jetzt bist glücklich wirst. Denn nichts anderes wollte ich für Dich, als das Du eine glückliche, zufriedene Zukunft hast.
Dein dich liebender Vater
Sie las den Brief gleich drei mal in Folge, es waren nicht viele Worte und doch sagten sie viel aus, nun war es an ihr jene Worte auch zu verstehen und sich daran zu halten. Erneut liefen Tränen über ihre Wangen, eine nicht endend wollende Flut strömte aus ihren Augen.
Ach Herrje, das arme Mädel
🙁
*stellt mal noch die Taschentuchbox auf* – ja die Kleine hats grad echt nicht leicht
*Tee schlürf und nick*