Prüfungen. Zumindest eine davon fand gestern Abend statt. Vielleicht auch zwei, je nachdem, wie man zählen möchte. Wahrscheinlich passt da auch ein gutes Dutzend rein. Elender Abend.
Um ihn zu prüfen ließ ich Dankmar Meroun gegen Leutnant Tharlegond Elteror antreten. Zu seinen Gunsten muss ich sagen, Meroun hielt sich sehr gut, bedenkt man sein Alter und die Tatsache, dass Elteror ihm Jahrzehnte Kampferfahrung voraus ist. Der Kampf ging zum ersten Blut. Letztendlich wurde diese Wunde eben Meroun geschlagen. Wie ich ihm bereits gestern sagte hoffe ich für ihn, dass es eine Narbe wird. Anscheinend ist es tatsächlich so, dass man einen Mann nur als solchen erkennt, wenn ihn ausreichend viele Narben zeichnen. So zumindest der Rückschluss, den ich aus dem restlichen Abend ziehen musste.
Die eigentliche Prüfung war aber eher für den Leutnant. Zwar war er mit meinem Bruder Seite an Seite in der Schlacht, jedoch ist gegen einen Ork zu kämpfen etwas anderes als einen Menschen vor sich zu haben. Einen Menschen, von dem man weiß, dass er Freunde und Familie hat. Andere Menschen, die ihn vermissen werden. Der vielleicht ebenso gute Gründe hat eine Klinge zu führen, wie man sie selbst hat. Jemand, den man am Ende vielleicht auch noch kennt. Ich war mir nicht sicher, ob Leutnant Tharlegond den Knaben schonen würde, ob seines Alters. Es stellt sich aber heraus, dass er den Jungen eben nicht geschont hat. Im Gegenteil. Stellenweise schien er im Kampf sogar Freude daran zu haben endlich wieder ein Schwert zu halten, zu führen und es gegen jemanden richten zu können. Der Mann braucht also ein Ziel. Und ein Ziel werde ich ihm geben.
Und dann also dieser unseelige Besuch Rodgar Wogenwolfs. Magistrat. Graf. Und was weiß ich wie er sich sonst noch alles nennt. Er führt Titel, spuckt aber zeitgleich auf eben jene. Er spricht von Ehre, zeigt aber im gleichen Augenblick, dass er keine hat. Ich glaube, in niemandem hat sich Alejandro Salas so sehr geirrt, wie in diesem Mann. Salas hielt ihn für einen Wolf. Ich aber lerne, dass ihm jemand den Pelz abgezogen hat und den Mann darunter zum Vorschein brachte. Er denkt nicht mehr wie das Tier, das er sich auf den Pelz schrieb. Er lässt sich von den Worten der Diplomaten leiten und glaubt er könne einen Menschen so durchschauen. Würde er sich auf seine Instinkte verlassen, hätte er sicherlich mehr erkannt als er es gestern tat. Aber ohne sie glaubt er einen verängstigten Jungen vor sich zu haben.
Die Klingen werden zeigen, dass er irrt. Den Preis zahlt in jedem Fall er. Denn selbst wenn er siegt, wird er damit unwiderbringlich alte Freunde verlieren, die er doch angeblich so hoch schätzt. Mein Bruder Giselher würde ihm meinen Tod nie verzeihen, auch wenn ich ihn für denkbar unwahrscheinlich halte. Wenn er kämpft wie er redet – hat er bereits verloren.
Oh ja… was ein Abend. Gibt ja son Spruch: wenn man Freunde hat braucht man keine Feinde mehr… oder so ähnlich? 😉