Von Überraschungen und Wein…

Theowalt Ategon
1. April 2010 • Kommentare: 1

Wieder ein Tag vorbei. Es ist erschreckend wie schnell die Tage an einem vorüberziehen, wenn man beschäftigt ist. Je älter man wird, desto schneller ziehen sie. Fast hat man das Gefühl als würden die Tage einen Wettlauf veranstalten.

Theo sitzt am Tisch, in seinem Häuschen. Es ist warm, der Kamin im Hauptraum knistert und die Kerze auf dem Tisch erhellt ihre Umgebung gerade soweit, dass er bequem seine Feder zur Hand nehmen kann um zu schreiben.
Zwei dünne Bücher liegen auf dem Tisch – noch unangerührt. Theo hatte sich vorgenommen sie zu lesen. Doch die Frage nach dem wann blieb im Raum stehen.
Einzig und allein das Familienbuch schlug er regelmäßig am Abend auf, um darin zu lesen. Viel zu lange hatte er sich nicht für dessen Inhalt interessiert. Doch nun, da er sich täglich um das Wohl seiner Nichte sorgte, hatte es sich verändert. Drei Briefe hatte er ihr schon geschrieben. Alle waren unbeantwortet geblieben. Sie hatte sicher viel zu tun, das sagte er sich und glaubte es auch. So wie auch er viel zu tun hatte, doch statt nach getaner Arbeit in sein Bett zu fallen, den Rücken zu strecken und zu schlafen, hatte er sich angewöhnt zu laufen.

War er im Haus angekommen, legte er seine guten Kleider ab, hüllte sich in einfache leichte Beinlinge und ein leichtes Hemd, schlüpfte in die weichen Stiefel und verließ das Häuschen um eine oder zwei Runden durch die Siedlung zu laufen. Er ging nicht, nein er lief und pumpte Luft in seine Lungen. Er hatte nicht vor, alt und schwach zu werden, oder gar bald das zeitliche zu segnen. Laufen machte ihm den Kopf frei.
Je nach Verfassung endete sein Lauf am Bach hinter dem Händler der Siedlung. Dort wusch er sich den Kopf im klaren Wasser und ging den Rest des Weges über den Platz, die leichte Steigung hinauf zu seiner Hütte. Dort angekommen, war es zu Ritual geworden sich mit kaltem Wasser zu waschen, dann zu schreiben oder zu lesen, bis die Wärme des Feuers ihn müde gemacht hatte. So ging es, seit dem er aus Thal zurückgekehrt war, täglich.

Theo beginnt in sein Notizbuch zu schreiben, feine, wenn auch etwas zittrige Linien beginnen sich aneinander zu reihen und langsam füllt sich Zeile um Zeile.

Ich komme grad herein von meinem abendlichen Lauf. Ob der junge Graf Salas sich das wohl gedacht hat, als er mich bis zum haus begleitet hat? Ich denke nicht. Vermutlich würde er einem alten, verwirrten Mann nicht zutrauen, noch zwei Runden auf den Wegen der Siedlung zu laufen. Vermutlich würde es ihn überraschen. Vermutlich würde ich viele überraschen. Zwei runden waren es heute, ich hätte noch gekonnt, aber warum diesen alten Körper bis ins unermessliche schinden, wo ich ihn nur brauche um Brote zu schmieren und Wein zu servieren.

Ein schmunzeln huscht über die Lippen des alten Mannes dessen Feder über dem Tintenfass leicht zittert.

Doch ich will mich nicht beschweren, es ist eine schöne Arbeit. Wenn auch sie gänzlich anders ist, als das was ich in Thal zu tun pflegte. Es gibt weitaus mehr Angestellte hier. Ich muss nicht einkaufen, das tut die Magd, ich brauche weder kochen noch backen, das tut der Koch, ich wasche nur meine eigene Wäsche. Ich bin lediglich für das Wohl des Fürsten und seiner Frau, sowie deren Gäste verantwortlich. Und ich bin froh dass es so ist.

Ich denke sogar, dass eine Amme das Kind die Kinder der Fürstin hegen wird.
Ja… Kinder. Was für ein erfreulicher Abend für den Fürsten und seine Gattin, und was für ein überraschender Abend für mich.

Ich betrat das haus des Fürsten am späten Nachmittag, er hatte sich verletzt bei einem Übungskampf, nun, warum genau er und nicht sein Hauptmann die Prüfung eines Lehrers, vielmehr einer Lehrerin übernahm, muss ich nicht verstehen und mir nicht den Kopf darüber zerbrechen. Ich vermute, er vermisst den Schwertgriff in seiner Hand, die Vibrationen die bis in den Arm hinaufreichen, wenn ein Schwert gegen das Eigene prallt. Ich kann ihn verstehen, hier im Breeland hat er sich keinem Kampf zu stellen. Und hin und wieder durch einen Kampf, wenn auch nur einen Übungskampf, ins Schwitzen zu kommen, wird ihm Freude bereiten. Jedenfalls wurde er dabei verletzt. Seine Kniescheibe hatte ihren rechtmäßigen Platz verlassen, so sagte er und musste wieder an die richtige Position geschoben werden. Eine schmerzhafte Angelegenheit, so stelle ich es mir zumindest vor. Vermutlich ähnlich wie beim Einränken einer Schulter. Ich erinnere mich noch gut an die Schreie aus meiner Kehle. Verfluchter Ackergaul…

Nun,… zurück zu den Gedanken. Erfreulich für das Fürstenhaus. Hatten doch Fürst und Fürstin ein Kind erwartet, so können sie sich nun auf zwei freuen. Mit stolzgestählter Brust, wie ein Bauer, mit fettem Vieh und ein Hahn auf dem Hühnerstall forderte er mich auf mit ihm anzustoßen. Mit Wein! Ich trinke nie, nicht mal Wasser. während der Arbeit. Doch ich konnte nicht ausschlagen, was das wohl gegeben hätte. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit Wein trinken zu dürfen, wenn auch als Ausnahme. Aber immer wieder schafft es der Fürst mich zu überraschen. Ich brachte dem Fürsten also seinen Wein, diesmal einen Leichten, mir nahm ich ebenso ein Glas und dann verkündete er, dass die Fürstin Zwillinge erwarte. Zwillinge! Habe ich nicht von Anfang an gesagt, dass dieser Bauch für einen Sohn nicht passend sei. Nun, ich vermutete zwar die falschen Gründe, aber… nun werden es zwei Kinder. Ich lasse das spekulieren dieses Mal sein. Hauptsache es Frau und Kinder sind wohlauf, wenn die Geburt überstanden ist. Nun, darauf stießen wir an. Mögen die Valar ihre Sinne bei Fürstin Winthallan haben, wenn es so weit ist.

Der Fürst fragte mich auch etwas über den Rat der Stadt Bree, nun… ich kenne mich damit nicht aus. Ich hörte zwar, dass einer der Vorsitzenden gelegentlich als Begleitung für einsame Damen herhielt, aber Politik geht mich nichts an. Ich bin ein Diener, ich tue was man mir sagt. Ich wähle nicht aus, was mit am liebsten ist.

Da wären wir auch schon beim nächsten Punkt. Würde ich wählen dürfen, würde ich die Aufgabe die mir zuteil wurde ablehnen wollen. Ich weiß, es ziemt sich nicht, auch nur darüber nachzudenken. Aber tatsächlich verlangt der Fürst, dass ich ihm, solange sein Knie ihn daran hindert, beim ankleiden helfe. Natürlich ist das eine Pflicht, und ich tue sie von Herzen gern. Aber ich muss zugeben, sie ist mir nicht die liebste. Ich wünsche ihm (und mir) baldige Genesung.

Der Oberritter des Hauses, Sir Aldorn und seine Frau sind aufgebrochen um einige Tage Urlaub in der Gegend zu machen. Sie wollten nicht weit fort, da die Geburt des fürstlichen Nachwuchses nicht mehr lang auf sich warten lassen wird. Man sieht der Fürstin an, dass sie genug hat davon zu sitzen, zu liegen und kaum aus dem Haus zu kommen.

Apropos Oberritter. Er kam auch ins Haus des Fürsten um zu sehen wie es ihm geht. Nun, nach einigem freundschaftlichem hin und her, einigem Schmunzeln und etwas Wein, wurde das Thema freundschaftlicher, als ich dem Fürsten zugetraut hätte. Er schwebte fast auf Wolken, durch die freudige Nachricht über den Familienzuwachs. Also blieb die Frage nach Sir Aldorns Nachwuchs nicht aus. Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste woher das Glück des Fürsten stammt und die Valar wissen, ich war auch einmal jung. Ich habe gedient, mit Männern, ich kenne also Gespräche über Frauen und Fruchtbarkeit. Doch, heute Abend habe ich mich wirklich alt gefühlt. Ich hätte mir, so wahr ich hier sitze, gern Brotkrumen in die Ohren gesteckt. Solche Gespräche unter Freunden hat auch ein Diener nicht verdient.
Doch es erinnerte mich an Lia, sie dürfte auch bald in so einen Alter sein, indem solche Männergespräche sich um sie drehen. Bei dem Gedanken daran wünschte ich, sie wäre noch das kleine Mädchen von zehn Jahren, das gebannt den erdachten Geschichten eines Onkels lauscht.

Doch nun genug sinniert, es wird Zeit dass ich zur Ruhe komme. Morgen vor Morgengrauen, ich habe dem Fürsten mein Wort gegeben, werde ich da sein und ihm beim Ankleiden helfen. Mit welcher Freude ich diesem Moment entgegen fiebere….

Theowalts Tintenfässchen wird geschlossen, die Feder in die Halterung gesteckt und die Kerze gelöscht. Draußen hört man leicht Wind rauschen und Nieselregen gegen das Fenster  regnen.
Das Haus wird dunkel, nur der matte rote Schimmer vom Feuer im Kamin erhellt noch dann und wann die Fenster. Wenn man genau hinhört kann man ein tiefes monotones Schnarchen hören. Der alte Mann ist eingeschlafen!

  1. Cinlir Winthallan sagt:

    Also bitte – es könnte schlimmer sein! *g*

Du musst eingeloggt sein, um zu kommentieren.