Nachtschatten

Heridan Flusswieser
14. September 2010 • Kommentare: 3

Tobian Dornlag fröstelte. Das zum einen, da die Nächte nicht mehr so war waren, wie im Hochsommer, zum anderen, weil die Gestalt im Garten des Medicus sich immer noch nicht bewegt hatte. Das war unheimlich. Der Medicus war auch unheimlich (zumindest für Tobian), demzufolge war er wohl diese Gestalt, die da bereits seit Stunden regungslos im Garten stand und auf die Ecke des Hauses starrte. Das war dem jungen Gardisten ein willkommener Grund, seinen Rundgang flugs fortzusetzen. Denn wenn das nur der Medicus war… dann sollte die Wache ihn lieber nicht stören.

Die Gestalt unterdessen bewegte sich erst lange nachdem die Wache verschwunden war. In dem wenigen Licht der nächtlichen Siedlung war sie jedoch mehr ein Schatten. Angesichts des beständig tröpfelnden Regens, ein kläglicher Versuch des beginnenden Herbstes, sein neues Revier zu markieren, trug sie eine Kapuze.
Abgesehen von der chronischen Einfarbigkeit haben viele Schatten Probleme. Dieser hier bot keine Ausnahme. Er war nun, zu dem Schluss war er gekommen, eindeutig in Dinge verstrickt worden, die ihm ganz und gar nicht gefielen. Das war sein erstes Problem. Das zweite in einer langen Reihe war, dass er sich aus dieser Verstrickung nur durch einige einschneidende Maßnahmen befreien konnte. Und an diesem Punkt seiner Überlegungen zog er den Gegenstand aus der Tasche seiner Robe, den er sich eigens für diese Maßnahmen beschafft hatte. Aus der Silhouette seiner Faust ragte nach oben ein weiterer Schatten auf – etwa zwanzig Zentimeter in der Länge, nach oben hin spitz zulaufend. Er hatte ihn ohne das Wissen des Besitzers beschafft. Nun, vermutlich würde der es nie erfahren, wenn er nichts sagte. Mit diesem Gegenstand machte er sich auf zu einer der Ursachen seiner Probleme.

Die Tür knarzte nur leise, als er hineintrat. Hier lagerte sein Ziel also, unter seinesgleichen. Kalter Angstschweiß brach ihm aus, als er sie ansah. Dann, vorsichtig ging er die Reihe entlang, bis er vor seinem Ziel stand. Und schlucken musste. Es war wach. Und hatte ihn bemerkt, öffnete das Maul… Ohne nachzudenken verstärkte der Schatten den Griff um sein Mitbringsel, schloss die Augen und biss die Zähne aufeinander, bevor er ruckartig den Arm ausstreckte und den Gegenstand in den Schlund seines Gegenübers rammte. Nur einen sekundenbruchteil später ging er zügig zur Tür zurück, rannte jedoch nicht. Es war getan. Und auf seltsame Art ging es einfach. Die Tür fiel zu.

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Drinnen im Stall war Bryannes Pferd sehr erfreut, dass ihm jemand eine Karotte gebracht hatte.

  1. Cinlir Winthallan sagt:

    Mit der flachen Hand, Flusswieser, der flachen! *zuruf*

  2. Elmion sagt:

    *sich kringel* köstlich! 😀

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