Meditation über einen Schild

Gyroir Meroun
20. Dezember 2010 • Kommentare: 3

Es gibt viel Zeit zum Schreiben. Wahrscheinlich nicht das sinnvollste, das man tun kann, aber immerhin etwas. In langen Wartezeiten denkt man über viel nach. Und bei manchem lohnt es sich, das ganze aufzuschreiben.

Habe Drakons Worte noch im Ohr. Dass ich Giselher geschont hätte. Die Wahrheit ist, dass es mir in dem Moment nicht eingefallen ist, selbst direkt anzugreifen. Ich war einfach überrascht, dass er so vehement angriff. Die erste Sekunde des Kampfes war die entscheidende. Dass ich danach noch so lange durchhielt ist nur meinen Reflexen zuzurechnen. Entscheidend war nur die erste Sekunde. Wenn ich den Kampf dort hätte unter Kontrolle bekommen können, hätte ich seine Wut gegen ihn lenken und ihn mühelos besiegen können. Es wäre vielleicht eine gute Erfahrung gewesen. So hätte er gelernt, dass ungezügelter Zorn im Kampf keinen Vorteil bringt. Der Zorn, den wir, die Klingen, meinen, ist kälter und schärfer. Er bleibt immter hinter dem Gesicht verborgen, kommt nur in der kompromisslosen Ausführung des Auftrags zum Ausdruck.

Aber dafür hat das ganze meine Überzeugung geschärft, das in diesem einen Moment, in dem der Ausgang eines Kampfes entschieden wird, plötzlich alle Soldaten irgendwie gleich sind. Wir sehen uns in die Augen und sehen uns selbst. Es ist geradezu zufällig, wer lebend und wer tot vom Felde zieht. Wir Soldaten sind eine eigene Gruppe. Giselher war in diesem Moment ein Soldat. Kein besonders guter, freilich, aber ein Soldat.

Ich werde ihm noch von dieser Lektion erzählen.

Bis dahin aber, gilt es vor allem, schnellstmöglich zu genesen. Momentan bin ich Ballast für die Garde und für das gesamte Haus. Und das ist umso schlimmer, als Eolwen jetzt zurück ist. Sie sollte starke Klingen sehen, Klingen wie sie einst waren.

Ich bin sehr gespannt, wie sie sich verändert hat. Ob sie sich verändert hat. Sie ist uns unter meinem Kommando verloren gegangen. Sie hat alles Recht, mir Vorwürfe zu machen. Auch ein Grund, warum ich jetzt gesund sein sollte: Die Genugtuung, mich zu verprügeln, hat Giselher ihr bereits genommen. Sie wird dazu kaum auf meine Genesung warten wollen.

Weise wie eh und je ist jedenfalls Drakon. Je länger ich ihn kenne desto mehr verschwimmen meine verschiedenen Erinnerungen an ihn. Ich mache nur noch Bewunderung aus, wenn ich an ihn denke. Wenn ich mit ihm spreche habe ich inzwischen stets den Eindruck, wir beide seien alte Männer und um uns herum nur Kinder, die nicht mehr oder kaum noch verstehen, worüber wir sprechen. Bryanne weiß noch darum, wenigstens zu einem Teil, Giselher vielleicht, aber noch entfernter, Dankmar, Britha … beide sind jünger als wir. Aber jetzt ist Eolwen wieder da. Unsere kleine Gemeinschaft wächst. Geister aus Muskeln, Knochen, Fleisch und Stahl, Geister aus vergangenen Zeiten.

Willkommen daheim, Eolwen. Das ist es, glaube ich, was ich ihr sagen werde.

  1. Drakon sagt:

    Das sinnieren zwei alter Alt-Klingen. Episch!

  2. Giselher sagt:

    Ohje, was der Giselher da angerichtet hat.

  3. Sybell sagt:

    Auch dies, ein super Blog *bruder herz*

Du musst eingeloggt sein, um zu kommentieren.