Worte des Vaters und Worte der Mutter…

Akirah Taramer
17. April 2011 • Kommentare: 0

Der Nachmittag verlief ruhig und es ging langsam auf den Abend zu, Stille lag über der Siedlung nur vom Übungsplatz aus hörte man immer wieder Metal auf Holz schlagen. Ab und an schallte ein agressives, knurrend Keuchen von dort einher und verlieh dem Geräusch der Hiebe allein vor dem hörenden, geistigen Auge eine vorstellbare Wucht.

Dort auf dem Übungsplatz, direkt vor einer der hölzernen Übungspuppen, stand der Kavalerist und hieb auf dem sichtbaren, wenn auch leider mehr oder minder unbeweglichen, Fein ein. Feine Splitter übersähten zu seinen Füßen und am Boden des Pfostens auf dem die Puppe befestigt war, den Boden. Sein Blick war eisern, angestrengt und wenn dieser dumme Kämmerer gestern im Wachhaus schon auf Abstand zu ihm geblieben war, so würde er sich jetzt wohl auf dem Absatz umdrehen und das Weite suchen.
Er atmete schwer, denn sein Training dauerte schon eine Weile an, so dass er die Kette unter dem Waffenrock deutlich spüren konnte.  Seine Haare klebten an seiner Stirn und dennoch gab er nicht auf.

„Oh Akirah, sicher wird er dir zuhören. Du musst ihm nur Zeit geben, er ist doch gestern erst heim gekommen und braucht eine Weile, bis er sich ganz hiereingefunden hat. Sei geduldig.“ Der kleine Junge sah zu ihr auf und nickte, dann brachte er sein Holzschwert wieder zurück zu seinem Lager und legte es beinahe liebevoll dort ab. Er würde es morgen noch einmal versuchen, denn er wollte seinem Vater unbedingt etwas zeigen. Das Baumhaus war erst vor wenigen Tagen fertig geworden und Linea hatte sogar aus alten Lumpen eine Türe gefertigt. Gut, die Türe hatte nun ein Blümenchenmuster, aber wen kümmerte das schon. Auch hatte sie der aus wenigen Ästen zusammen gebauten Übungspuppe am Fuß des Baumes ein Halstuch angelegt. Mit der Begründung es sei kalt und sie wollte nich, dass die Puppe sich erkältet und Akirah so nicht mit dieser üben konnte, weil sie krank war.
Doch es war alles anders gekommen, einen Tag später gab es das Baumhaus nicht mehr und auch die Übungspuppe war ein Einzelteilen im Kamin gelandet, wo sie knisternd verbrannte. So wie auch anderes brennend Kinderträume auslöschte. Der Junge lag auf dem Bauch und starrte vor sich an die Wand und auch wenn er es nicht wollte, rannen Tränen über seine Wangen. Aber er schwieg, das jüngere Mädchen saß vor ihm und hielt seine Hand. Er sah sie schweigend an, sein Vater würde sie nicht anrühren, er hatte all seine Wut bereits an seinem Sohn ausgelassen. Wut darüber, dass diese ein Baumhaus gebaut hatten, Zeitverschwendung in seinen Augen und es wurde Zeit, dass sein Sohn aufhörte mit Lineah zu spielen und in eine Ausbildung gehen würde. So hatte er entschieden.

Sanfte Worte hatte seine Mutter gesprochen, versuchte zu entschuldigen was sein Vater getan hatte, doch nichts von alle dem war in seinen Ohren mehr wahr.
Lügen … soviele … Lügen…
und am nächsten Morgen, als die Sonne über den Horizont kroch, konnte er den elterlichen Hof schon nicht mehr sehen, wenn er vom Rücken des Pferdes hinter sich sah.  Er spürte jeden Stein über den das Tier ging, aber sein Vater verlangte von ihm aufrecht im Sattel zu sitzen. Ganz gleich wie sehr es schmerzte, es würde oft vorkommen, dass ein Mann in seinem Leben Schmerz spüren sollte und dennoch dürfe er nicht wanken. Aber das würde er jetzt bald lernen, es war Zeit, dass seine Ausbildung beginnen sollte.  Er hatte  ganz sechs Jahre Kindheit gehabt. Mehr als genug wie sein Vater betonte und mehr als manch anderem Jungen zustehen würden.

Er schüttelte den Kopf, war er doch die letzten Hiebe über in Gedanken gewesen, schwer schnaufend hielt er inne. Betrachtet den „Feind“ vor sich und senkt die Klinge einen Moment.  Doch dann hieb er immer wieder auf die Puppe ein, er war zu weit gegangen. Er hatte sich gehen lassen. Dabei hatte er sich fest vorgenommen, niemals eine solche Lüge leben zu wollen.
Er wollte nicht wie sein Vater sein und so hatte er seid jenem Tag als er von daheim fort gebracht wurde, genauer seid jenem Tag einige Jahre danach, als sein Onkel entschied es sei an der Zeit für ihn ein Mann zu werden, nur mehr die Nähe von Weibern gesucht, die sich ihr tägliches Brot damit verdienten einem Mann zu Willen zu sein.

Sie erwarten NICHTS
Hieb
Sie warten NICHT
Schlag
Sie fragen NICHT
Hieb
Sie hoffen nicht
Stoß
Ihre Lügen verletzen NICHT
Schlag

So ging es eine Weile, mit jedem Satz der ihm einfiel, warum er immer wieder tat. Er hatte es in ihren Augen gesehen, es verletzte sie und dennoch war er gegangen. Es war nicht richtig …
… dass es sie verletzte. Er war zu weit gegangen und das musste er ändern.

Vielleicht würde die Reise seinen Kopf wieder zurecht rücken, insgeheim hoffte er darauf, dass der Fürst alsbald einen Reise antreten würde, eine die Geleitschutz erfordern würde, mehr als den nach Bree. Oder vielleicht ein kleiner Schachzug gegen den Feind. Vielleicht würde er auch einfach gemeinsam mit Asander reiten, wenn sie sich jetzt trafen.
Ob es lohnen würde zu warten?
Lohnte es denn auf jemanden zu warten, der zwar nicht lebensmüde war, aber sich seiner Pflicht bewusst und der Tatsache, dass es eines Tages keine Rückkehr geben würde, die er noch erlebte? Nein, niemand sollte auf so jemanden warten und das war der Weg den er gewählt hatte.  Oder genauer, den man für ihn vor so langer Zeit festgelegt hatte.
Er war einmal davon abgewichen, was hatte es gebracht?
Wenige Tage des Gefühls von unendlicher Freiheit, die dann in einem Meer von Rot über ihm zusammen brach, ihn fast unter sich zu erdrücken suchte, als die Nachricht vom Tod seiner Schwester eintraf. Die Nachricht die SIE vor ihm versteckt hatte,  wieder eine Lüge, eine Lüge für die Fassade dieser wenigen Tage.

Damals hatte er sich vergessen und sie nach dem Genuß einigen Alkohols übel zugerichtet, so dass andere sie zu einem Medikus bringen und ihn dabei noch zurück halten mussten. Und allein bei den Gedanken daran, hiebt er unwirsch auf das Holz vor ihm ein.
HIEB
HIEB
SCHLAG
HIEB
STREICH
STOß

Als er den wohl tötlichen Stoß setzte, hallte ein drohender, leiser Ausdruck von ihm wieder und erst danach, zwei Atemzüge später wurde er sich des leichten Stechens an seiner Seite bewusst.  Langsam sah er an sich herunter und ein langer Splitter hatte sich unter seinem Hieb gelöst, zeigte sie ein versteckter Dolch auf seine Flanke und bohrte leicht dagegen.
Er knurrte und zog sein Schwert zurück, scheidete es und drehte sich ab, um den Übungsplatz in Richtung des Flusses zu verlassen. Er brauchte ein Bad und auf dem Weg dorthin wurde ihm bewusst, dass es allein ihre Schuld war. Die Gedanken daran hatten ihn abschweifen lassen, hatten ihn unvorsichtig werden lassen.
Und noch während er sich seiner Kleidung entledigte um ein Bad zu nehmen, wurde er sich mehr und mehr dessen bewusst was sein sollte.
Es war nicht zwingend das, was er wirklich wollte, aber das war noch nie wichtig gewesen.

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