Lärm tobte durch die Gänge. Waffenklirren schnitt durch die Nacht. Ein Angstschrei wurde zu einem Schmerzensschrei. Mit einem berstenden Geräusch gab die Tür den Angreifern nach, flog auf. Männer kamen in ihr Zimmer, packten sie….
Mit einem Aufschrei fuhr Claddagh hoch, stieß die Bettdecke von sich. Noch bevor sie klar denken konnte, war sie schon aus dem Bett gesprungen. Ihr Herz raste wie das eines Hasen, der von Hunden gehetzt wird. Kalter Schweiß lief ihr den Rücke herunter und ihr Gesicht fühlte sich feucht an.
Wo war sie hier, verdammt? Panisch sah sie sich um und lauschte angespannt in die nächtliche Stille. Dann langsam erkannte sie den Raum. Ihr Zimmer. Im Hause der Baroness. Niemand sonst war zu hören. Keine Männer.
Langsam verschwand dieses unangenehme Gefühl aus der Magengegend und ihr Herzschlag wurde wieder langsamer. Dennoch war der Raum zu eng, zu drückend, sie hatte das Gefühl, nicht atmen zu können und spürte wieder Verzweiflung in sich aufwallen. Raus! Frische Luft! Hastig zerrte Claddagh sich das verschwitzte Nachthemd vom Körper und zog sich an. Dann verließ sie fluchtartig das Haus.. Kurz blieb sie vor der Tür stehen und atmete tief durch, schloss die Augen. Die kalte klare Luft fühlte sich auf ihrem Gesicht gut an. Claddagh verspürte den Drang, sich zu bewegen. Sie raffte den Rock ein wenig und rannte los. Ihre Füße trugen sie in Richtung des Wachhauses, warum? Das wusste sie selbst nicht. Sie hastete an einem Gardisten vorbei, ohne diesen weiter zu beachten, hastete zu dem Brunnen.
Das kalte Wasser wusch die alten Tränen fort und klärte den Geist. Ihr wurde bewusst, dass sie grußlos an einem Gardisten vorbeigerannt war. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass dieser immer noch an Ort und Stelle stand. Langsam ging sie näher und strich sich dabei die nassen Strähnen aus dem Gesicht.
Taramer. Auch das noch! Bei dem letzten Gespräch hatte sie den Drang verspürt, einen Kopf gegen irgendwas zu rammen. Entweder seinen oder ihren. Seine Einsilbigkeit ging ihr manchmal auf den Nerv. Jetzt jedoch hatte diese auch Vorteile. Von ihm würde sie keine dummen Kommentare hören.
„Blut für Blut, Taramer“, grüßte sie und verabscheute im nächsten Moment ihre Heiserkeit.
„Blut für Blut, Lady Arynn“, antwortete er, aber Claddagh schenkte dem weniger Aufmerksamkeit. Sie räusperte sich um das verräterische Krächzen aus der Stimme zu bekommen.
„Was habt Ihr?“
Verdammt!
„Schlecht geschlafen.“, antwortete Claddagh einsilbig und hoffte, er würde nicht weiter fragen.
„Warum?“
Seit wann interessierte der sich für so etwas, fragte Claddagh sich. Stumm zeigte sie ihm ihre Handflächen, das musste als Antwort genügen. Er fragte, was passiert sei und gereizt erklärte sie es Taramer. Wieder. Es war ihr immer noch unangenehm, darüber zu sprechen.
„Schmerzt es?“
Taramer sah noch immer ihre Hände an, obwohl sie diese wieder gesenkt hatte.
„Manchmal.“, gestand sie schließlich, überrascht über die Frage.
„Geht es?“
„Ja. Es muss.“
Angespannt sah Claddagh sich um, ihr war, als hätte sie etwas gehört.
„Wen fürchtet Ihr?“, fragte Taramer ruhig und legte eine Hand auf den Schwertknauf. Auch er sah sich um.
Claddagh sah wieder den Gardisten vor sich. Irgendetwas an seiner Geste bewirkte, dass die Anspannung wich. Ja, sie fühlte sich sicher.
„Schatten und Erinnerungen“
Und dass es wieder passieren kann.
Hatte sie das gerade laut gesagt?
„Nur, solange Ihr ihm diese Macht gebt.“
Verdammt, ja, sie hatte es laut gesagt! Warum gestand sie ausgerechnet diesem Gardisten so etwas? Und warum rührten sie seine Worte so? An einem anderen Tag hätte Claddagh sich vermutlich zusammenreißen müssen um nicht pampig zu werden wegen seinem Berichterstattungstonfall. Was war heute anders?
Sie war nicht mehr allein. Da war jemand, der sie schützen würde. Es waren wieder Menschen um sie herum, zu denen sie nun gehörte. Und dieser Gardist, der sie kaum kannte, würde sie verteidigen, weil sie Teil derselben Gemeinschaft waren. Gemeinschaft…
Claddagh legte, ohne jede Scheu, ihre Hand auf die, welche auf dem Schwertknauf ruhte.
„Danke“, sagte sie schlicht.
Akirah sah zu ihrer Hand, die auf seiner lag, hinab. Was er dachte, konnte sie nicht sehen.
„Wofür?“, fragte er in gewohnter Einsilbigkeit.
„Für…die Zuversicht.“, antwortete Claddagh mit weicher Stimme und zog ihre Hand weg und lächelte den brummigen Gondorer an. Akirah sah ihr wieder ins Gesicht.
„Wahrheit.“
Als Claddagh einige Zeit später wieder in ihrem Bett lag, die Gedanken schwer und träge, hallte dieses Wort noch in ihrem Geist nach.
Wahrheit.
Wahrheit und Ehre.
Blut für Blut.