Wie wild rennen die Kinder über die Brücken, die die Plattformen miteinander verbinden. Sie haben sich seit einiger Zeit auf diesen besonderen Tag gefreut, und so gibt es mit dem Erwachen des ersten Lichtes kein Halten mehr für sie.
Sie reißen wie im Wahn die Verkleidungen an den Fenster nieder. Sie zerpflücken mit geschickten Fingern die silbernen Tannenzweige, die die Brücken überdachen.
Das große Feuer unten am Boden ist bereits in den frühen Morgenstunden entzündet worden, und nun ist es an ihnen, es zu füttern.
Jedes Jahr um diese Zeit gibt es diesen Tag. Es gibt immer einen Jäger, der ohne Beute zurückkehrt. Doch dafür trägt er die Kunde von dem kleinen Wunder, das er gesehen hat: Das erste Blatt nach der annan daw i elei. Dann wissen die Bewohner der Hütten und Plattformen, daß es nun Zeit ist, zu erwachen und die Dunkelheit des langen Winters zu verteiben. Die Zeit des kalten Wassers endet dann, und Holz beginnt seine Herrschaft.
Und plötzlich scheinen überall Triebe zu sprießen. Die Kleinen sind aufgestachelt und eilen umher, miteinander wetteifernd um die größte Ausbeute, um das größte Stück Futter für das Feuer.
Die Jungen betrachten einander mit offenen Augen. Die meisten Paare finden sich in dieser Zeit. Bünde werden geschlossen. Eine wilde Liebe erwächst in ihren Herzen.
Die Alten werden aktiv, denn das Sehnen nach vergangener Kraft stachelt sie an. Nicht selten messen sie sich miteinander um der alten Tage willen. Und Stolz tragen sie zur Schau auf das, was sie bereits getan haben. Manche Herausforderung wird ausgesprochen. Und so manch junges Gemüt, das allzu euphorisch nach Ruhm und Anerkennung trachtet, wird an seinen Platz zurechtgestutzt vom alten Meister.
Selten sieht man die Grauelben so ausgelassen, wild und laut vorgehen wie in jenen Tagen. Wären sie Wölfe, dann würden sie kläffen, statt zu heulen.
Wird ein Mädchen zur Mutter in dieser Zeit, so gilt das Kind als gesegnet. Feuerherz nennt man solche Kinder. Und Großes darf man von ihnen erwarten.
Gwaethil hat lange nicht mehr an diesen Ritus gedacht. Es ist eine Weile her, daß er selbst die Kraft der Erneuerung spürte, die ihn damals wieder und wieder durchströmte. Es war die Bitte des jungen Archivars, er möge ihm berichten, welche winterlichen Riten in seinem Volk üblich gewesen sind. Er hat ihm von den drei Festen berichtet.
Vom Fest des letzten Blattes, wenn die Fenster verhangen und die Regentschaft der langes Dunkels, der langen Zeit der Träume, und damit des kalten Wassers beginnt.
Vom Fest der längsten Nacht, in der überall Lichter entzündet wurden. Niemand sollte im Dunkeln sitzen. Und dann wurden Geschichten erzählt aus hellen Tagen. Und Lieder wurden gespielt. Und sie haben miteinander getanzt. Solange, bis der neue Tag anbrach und die längste Nacht vorüber war.
Schließlich hat er dem Archivar vom Fest des ersten Blattes erzählt. Und als er seine Erzählung beendet und die Erinnerung ihn wieder eingeholt hatte, da war ihm ein Einfall gekommen.
Vielleicht würde Annamel seine Idee mögen.
Ich liebe dieses Winter-Feeling.. sehr schöne Erzählung, Gwaddi *begeistert nick*