Minas Faer

„Hier erwartet ihn nur der Tod…“

Das ist durchaus richtig… aber der erwartet ihn überall. Zu jeder Zeit. Dem Tod entrinnt man nicht… es kann eine halbe Ewigkeit dauern, aber irgendwann verliert man doch gegen ihn. Ich verstehe sie…. ich verstehe sie wirklich nur zu gut… ich würde selbst so handeln, wenn ich wüsste, dass das wirklich die beste Lösung wäre… wenn ich mir sicher wäre, dass es ihm im Westen besser gehen würde als hier… aber das bin ich nicht. Er ist dort sicherer. Zweifelsohne. Aber ich denke nicht, dass er Spaß an einem Leben haben würde, das von Ungewissheit und Sehnsucht geprägt ist. Er hätte nichtmal Erinnerungen an uns, die er in seinem Herzen behalten könnte, ist er doch noch viel zu jung um aktiv mitzubekommen, was um ihn herum eigentlich geschieht. Würde er eine gute Erziehung erfahren? Bestimmt. Würde er Freunde haben? Mit Sicherheit. Würde es ihm gut gehen? Wahrscheinlich… Würde er glücklich sein? Ich weiß es nicht… Würde er jemals wissen, wie es ist Mutter und Vater zu haben? Nein.

Es ist eine Sache zu wissen, dass er sicher ist… eine ganz andere aber in Ungewissheit darüber zu sein, ob er auch glücklich ist… und zu wissen, dass man ihn nie wieder würde sehen können. Und deshalb stehe ich nun auch hier an der Anlegestelle… ich wechsle einige Worte mit dem Elben, der gerade dabei ist das Tau loszumachen, das das Schiff am Steg hält, und bitte ihn noch einige Minuten zu warten… Er gewährt sie mir und ich betrete das Schiff. Meine Schritte führen mich unter Deck, wo sich bereits viele Elben gesammelt hatten und gedämpft unterhielten. Im hinteren Teil des Raumes erblicke ich ihn. Er liegt in einer Wiege, neben ihm sitzt eine Elbe, die ihm ein elbisches Schlaflied vorsingt… ich trete neben ihn und blicke auf ihn herab, streiche sanft über sein Köpfchen. Die Elbe steht auf und räuspert sich leise. „Er wird nicht gehen…“, sage ich leise. Sie nickt und reicht mir ein reich verziertes Tuch. Ich hebe ihn aus der Wiege und wickle ihn behutsam darin ein, drücke ihn sanft an meine Brust. Nach einem kurzen Wort des Dankes verlasse ich das Schiff und schwinge mich auf mein Pferd. „Nach Hause, Chezáa…“, flüstere ich der Stute zu, die sich sofort in Gang setzt.

Wir reiten bis tief in die Nacht, ehe wir wieder zu Hause ankommen. Chezáa geht langsam in die Knie, sodass ich mit Kahiil im Arm sicher absteigen kann. „Danke dir… bist die beste…“, flüstere ich ihr zu. Sie schnaubt leise und geht dann etwas abseits um sich Schlafen zu legen, während ich langsam die Stufen erklimme und das Haus betrete. Vom Schlafzimmer kann ich Ives leisen, gleichmäßigen Atem hören… ich betrete das Kinderzimmer und lege Kahiil behutsam in sein Bettchen, decke ihn zu und ziehe einen Stuhl heran, auf den ich mich setze. Ich betrachte Kahiil und streiche sachte über seine Wange…

„Vergib mir, mein Sohn… ich habe dich enttäuscht. Hoffentlich wirst du es eines Tages verstehen… aber ich verspreche dir: Noch einmal wird mir so ein Fehler nicht unterlaufen… heute Nacht kannst du beruhigt schlafen. Ich bin bei dir… ich werde immer bei dir sein…

Ir lîn i rhoa lîn band în
ir i faeg rhoa mad
ir morn gwaith or edonna-gen
ir dreg pain moeth ar gling
ir cen mellyn edonna-telec
ir heiru at narcha-tuir
ir i daedelos lîn în tuir
coelia-nin ech at nin cûn în

Sowohl für dich… als auch für sie. Und nun… schlafe… denn ich bin da.“