Minas Faer

Es fühlt sich an, als wäre es eine Ewigkeit her, dass Sybell und ich so beieinander lagen. Sie ist endlich eingeschlafen. Also habe ich ein paar Augenblicke zu schreiben. An Schlaf ist im Augenblick so oder so nicht zu denken.

Vorne angefangen. Der Ball war… Nun, ein Ball eben. Ich kann nicht sagen, dass ich Bälle sonderlich mag. Sybell hätte wahrscheinlich mehr ihren Spaß gehabt als ich. Und dieser hier war noch dazu völlig anders als die, die ich aus Gondor kenne. Die Intrigen fehlten. Hätte nicht gedacht, dass die mir fehlen könnten… Natürlich gab es dennoch einen Skandal. Taerawyn, die Schwester Taronas, wurde verlobt – weil sie schwanger ist! Und der zugehörige Verlobte? Sagen wir, ich bin überrascht, dass er seinen Namen schreiben kann. Der Mann bringt es fertig und stellt meine Rechte als Mann von Adel und Ehre an! Ich sah dennoch davon ab ihn zu fordern. Immerhin frisch verlobt. Ist mir nur ein Rätsel, wie Tarona dieser Ehe jemals zustimmen konnte.

Tja, und dann? Dann taucht der Mann zu einer Entschuldigung auf, die das Wort an sich nicht wert ist. Schreibt Briefe, die verworrener sind als alle Metaphern des toten Salas‘, die ich je gelesen habe. Und der Mann war immerhin anerkannt wahnsinnig! Jedenfalls trat dann gestern Tarona vor mich, Rudianos im Schlepp. Ich soll ihm beibringen was nötig ist um in Adelskreisen zu bestehen. Dabei hätte ich gestern geschlagene dreimal seinen Kopf fordern können! Widersetzt sich einem direkten Befehl, widerspricht – und überhaupt von Anstand wenig Ahnung. Es ist zum verzweifeln. Ich weiß nicht, wie ich dafür sorgen soll, dass der Mann lebt. Die Valar geben mir Fassung.

Dann taucht da noch Elmions Schwester auf. Sollte mich doch sehr wundern, wenn das nur ein Zufall war. Jetzt, da ihr Bruder zu einem Namen kommen soll. An derartige Zufälle glaube ich nicht, egal was dieses Weib behauptet. Mal abgesehen davon, dass sie sich offensichtlich überhaupt nicht bewusst ist, eine Frau zu sein. Rennt ständig in Hosen herum. Fast so schlimm, wie Fianah. Nur hat die wenigstens den Anstand in der Trauer ein Kleid zu tragen.

Fianah wiederum kümmert sich nach wie vor um den Grafen. Flusswieser sagt, er habe die Verantwortung dafür ganz auf sie übertragen. Er würde nur noch das Notwendigste kontrollieren. Da Salas immernoch lebt, nehme ich an, sie macht ihre Aufgabe gut. Das muss man ihr lassen. Ich bin gespannt, ob sie sich an ihr Versprechen mir gegenüber erinnert… Flusswieser bestätigte gestern, dass ich nunmehr wieder weit genug genesen bin um einsatztauglich zu sein. Für so ziemlich alles. Der Baum bestätigt das.

Weiteres betrifft Marwa. Bryanne zeigte mir ein Schwert, das die Hobbitfrau geschmiedet hat. Absolut tadellose Arbeit. Eines Waffenmeisters würdig. Was mich vor eine ziemlich verzwickte Entscheidung stellt. Einerseits hatte ich gehofft, Gwaethil könnte das übernehmen. Andererseits kann Marwa derzeit nicht den Eid auf das Haus leisten. Und auch wenn ich darüber hinwegsehen wollen würde, darf ich es nicht. Egal wie sehr ich möchte. Also werden wir alle ins Auenland reiten und für Marwa sprechen. In der Hoffnung, dass ihr das ausreichend weit hilft. Und Gwaethil? Ja. Für ihn habe ich auch Pläne. Sie haben sich nur leicht geändert. Aber zuerst muss er diese Prüfung bestehen.

Womit ich nicht rechnen konnte war Bryannes Reaktion auf das ganze. Da reitet man nichts ahnend nach Hause, steigt vom Pferd – und hat auf einmal Bryanne Aldorn an sich hängen. Sie bot mir das du an. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Sie! Mir! Aber sei’s drum. Bis dahin ging ich noch davon aus, sie könne mich auf den Tod nicht ausstehen. Darum blieb ich auch im Privaten so formell wie irgend möglich. Zeigt sich, dass ich damit wohl sehr falsch lag. Zeigt sich auch, dass ich ihr erst erklären musste, warum ich ihr gegenüber oft so streng bin. Mit etwas Glück hat sie es sogar verstanden. Jedenfalls bis zum nächsten Mal, wenn die Emotionen überschäumen. Aber ihr Satz geht mir nicht aus dem Kopf, verdammt!

Dann habe ich die Aldorn überlegt, kommt plötzlich ihr Mann mit komischen Ideen! Erzählt gestern etwas von Baumhäusern und Breeländer Sitten. Auf den Baum zu kommen war jedenfalls nicht sonderlich schwer, sieht man davon ab, dass mir wirklich Training fehlt. Und die Idee ein solches Haus für die Kinder zu bauen ist eigentlich auch gar nicht so schlecht. Nur wie ich meinen Wachen erklären soll, was ich da oben auf dem Baum suche – das habe ich noch nicht ganz raus. Es war jedenfalls eine nette Geste. Könnte man die eigene Familie wählen, gäbe es keine bessere Wahl als Giselher Aldorn. Soviel steht fest.

Nur fürchte ich nach wie vor, dass der Mann, auf den er traut und baut eben nicht mehr das ist, was er sein sollte. Die Härte ist in den meisten Fällen gewichen. Meine Frau sagt, ich werde zu meinen alten Methoden zurückfinden, sobald es eben nötig und verlangt ist. Nur habe ich selbst zum ersten Mal Angst das nicht länger zu können. Und das soll ich meinem Hauptmann ins Gesicht sagen? Der Wahnsinn müsste mich dazu reiten. Dabei hatte er genau die richtigen Worte parat. Aber wie, Mordor nochmal, reagieren, außer mit der Wahrheit? Eine Wahrheit, die nicht ausgesprochen werden darf. Nicht von mir. Nicht von seinem Herrn, egal wie sehr wir uns als Brüder sehen. Himmel, ich hätte vor Enlir ganz sicher ebenso wenig davon gesprochen.

Sybell nahm es übel, dass ich so offen war. Wahrscheinlich zu Recht. Ein Winthallan hat kein Lamm zu sein. Nur fühle ich mich in einer Wolle gefangen, die mir so gar nicht gefallen mag. Und solange das der Fall ist, bin ich wohl eher ein zahnloser Löwe. Ich darf nicht vergessen wer ich bin. Und es fällt so leicht sich daran zu erinnern, es zu verinnerlichen, wenn ich bei ihr bin… Deswegen brauche ich sie zurück. Weil ich ohne sie vergesse, wer ich bin. Die Valar verzeihen meine Ungeduld und meinen Neid auf die eigenen Kinder…