Abschied und Orkpisse

Heridan Flusswieser
27. Juli 2011 • Kommentare: 3

Heridans Bein ging es langsam besser. Das war gut, auch wenn es nicht seine eigene Errungenschaft war. Natürlich hätte er sich übernommen. Und natürlich hatte Derya es erkannt. Die Nähte hatte er bereits nach einigen Tagen ziehen können.

Aber sein Bein war nicht das, was nach der Feier schmerzte. Er hatte Pichelstein glauben wollen. Hatte gehofft, dessen Utopie, die er Beschrieb, wäre möglich. Wieder einmal verfluchte er sich leise dafür, nicht eher misstrauisch geworden zu sein. Pichelstein war viel zu bereitwillig dabei, ein solch mächtiges Geheimnis aufzudecken. Sicher, das älteste Grundprinzip der Wissenschaft besagte, dass etwas erst dann offiziell erfunden war, wenn es veröffentlicht wurde. Aber in solch einem Falle… Pichelstein hätte sich sträuben müssen. Und ihm nicht nach kurzer Nachfrage bereits eine Probe überreichen.

Die meiste Zeit der Reise verbrachte Heridan auf dem Karren, auf den man seine Bücher aufgeladen hatte. Und entgegen anderer Vermutungen verbrachte er nur wenig Zeit mit der Lektüre. Bryanne, warf ihm immer wieder Skeptische Blicke zu, während sie auf und ab ritt. Er glaubte gesehen zu haben, wie ihre Lippen stumm das Wort „Orkpisse“ formten. Orkpisse. Das war es, was Pichelstein ihm andrehte als eine Probe. Dass es keine Probe seiner wissenschaftlichen Leistungen war sondern vielmehr eine seines Charakters, das hatte erst der unüberlegte Geschmackstest bewiesen. Auch wenn der Geschmack im Wesentlichen zu seiner Laune passte.

Nephilem wusste natürlich, was ihn bewegte. Derzeit versuchte sie, mit Tuk gemeinsam einen Wachen zur mobilen Küche umzufunktionieren, um so die Pausenzeiten zu verkürzen. Sie hatte zugehört, als er lang und breit ausführte, es sei nun schon zum zweiten Mal geschehen. Er, seine Fähigkeiten. Nutzlos. Überfordert. Wertlos. Ein weiteres Mal lebte jemand, dessen Arzt Heridan, wenn denn seine Fähigkeiten ausgereicht hätten, gewesen wäre nur dank eines Wunders elbischer Machart weiter. Ein Umstand, den Drakon Meroun mit der vermutlich unbeabsichtigten, wenngleich präzisen Schärfe einer Klinge zusammenfasste, als er ihm sagte, er solle sich in Wundern üben. Blanker Zynismus, den Heridan dem Mann ernsthaft übel genommen hätte, wenn dieser nicht auf dem Sterbebett gelegen hätte.

Überhaupt fand Heridan es schwer, sich auf die Reise zu konzentrieren, weilten seine Gedanken doch immer noch dort, wo sie gerade herkamen. Von Livrada hatte er sich nicht verabschiedet. Es wäre zu riskant gewesen und so hatte er nur einen Brief und ein Geschenk für Jannik hinterlassen. Schließlich hatte er immer noch nicht herausgefunden, ob sie den Vorschlag, Heridan zu entführen und seinen Tod vorzutäuschen, damit er nicht nach Gondor mitgenommen werde, ernst gemeint hatte. Der Abschied von Fianah war leichter gefallen. Das Labor… einige der Instrumente… beides war jetzt ihres. Er hatte nicht alles mitgenommen und er hoffte, dass Fianah nicht bemerkte, wie schwer es ihm fiel, seinen langjährigen Arbeitsplatz zurückzulassen. Die meisten Geräte dort hatte er selbst angefertigt und nun… Zu schwer. Er hatte nur zwei Auflagen hinterlassen. Die Laborgerätschaften durften nicht weggeworfen oder verkauft, wohl aber an würdige Personen verschenkt werden. Und die Ruhe des Grabs im Garten hatte bestehen zu bleiben.

Ansonsten hatte er alles, was im Breeland zurückblieb, verabschiedet. Die Urkunde, einstmals Bestätigung der sogenannten Magisterwürde, war vor Monaten bereits unter Zeugen kremiert worden und später auf einem Hügel dem Wind übergeben. Seinen Vater hatte er Besucht, zum ersten Mal seit Jahren. Und er stellte fest – ein Flusswieser kann durchaus nachtragend sein, hatte der Alte doch immer noch nicht überwunden, dass er sich gegen die Übernahme von dessen Töpferei entschieden hatte. „Wenn du mal wieder in der Gegend bist kannst du ja das Messer aus meinem Rücken ziehen.“ Waren Cordan Flusswiesers Abschiedsworte an seinen Sohn gewesen. Eine Verbesserung, hatte er doch wenigstens überhaupt mal wieder das Wort an diesen gerichtet.

Was erwartete ihn in Gondor? Er wusste es nicht. Wusste nicht, was die Stadt im Nebel für ihn bereithalten würde. Vermutlich ein Labor. Einen kleinen Wohnraum für ihn und seinen Drachen. Mehr Form und Förmlichkeit für beide. Dieselben Alten Bücher und vielleicht noch einige mehr. Seine Frau. Das einzige, was seinen Glauben bestärkte, in Gondor würde es besser werden als im Breeland. Er hatte es vermieden, sich die Karte anzusehen, aber er war sich sicher, Bryanne und Giselher würden weit weg sein und nicht, wie bisher, einen Steinwurf über den Fluss. Wieder einmal würde alles anders. Und er war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel.

  1. Fianah sagt:

    Na Fia passt gut auf sein Häuschen auf, keine Sorge 😉

  2. Cyrah sagt:

    Auch wenn es nicht offen zugegeben werden wird, aber er wird vermisst werden. Allerdings könnte auch des nächtens ein Fuchs mit einer bauchigen Flasche gesichtet werden, welche aus diesem Haus entwedent wurde, nur um als Andenken im Fuchsbau zu landen.

  3. Cinlir Winthallan sagt:

    Ach, iwo. Giselher darf sich einfach nicht auf seinen Landsitz zurückziehen sondern hilft Onkel Cinlir beim regieren. Dann sind Bryanne und Giselher ganz nah! 😀

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