Brotherly Love

Alejandro Salas, Atherton Salas
6. März 2009 • Kommentare: 0

„Dein Lautenspiel wird mir fehlen, Chandro.“ Mit dem gleichen, spitzbübischen Grinsen, welches der ältere Bruder wohl tatsächlich von seinem jüngeren gelernt hatte, sah Atherton seinen Bruder und Fürst an. In einäugig erzwungener Ruhe erwiderte dieser den Blick. „Seit damals habe ich nur noch einmal eine Laute angefaßt. Und das erwieß sich als großer Fehler.“ Dieser Kommentar brachte ihm scharfe Blicke des Jüngeren ein. „Ich habe sie nicht mehr. Sie ist jetzt in besseren Händen. Hände, die sie schätzen.“

Unwillig verschränkte Atherton die Arme vor der Brust. „Ich hab sie in deinen Händen geschätzt, weißt du.“ Der Fürst wand sich unwohl unter seinen Blicken. „Ja, das mag sein, aber…“ „Aber du hast sie weggegeben. So wie Pech und Schwefel, ja?“ Touché. Der Junge hatte gut getroffen. „Sprich nicht davon…“, murrte Alejandro vor sich hin, den Kopf leicht senkend, so daß ihm eine lose Strähne über das sehende Auge hing und ihm zweifelsfrei noch mehr der ohnehin schon spärlichen Sicht nahm. Die beiden Dolche waren wahrlich längst in anderen Händen. Er hatte damals gedacht in besseren. Und gelernt, daß er sich wohl geirrt hatte. Mit gekauften Titeln kam offensichtlich keine Allwissenheit.

„Du bist nicht gekommen um von Lauten zu sprechen, Atherton.“ Er lächelte leicht. „Graf Salas.“, fügte Alejandro betonend hinzu, seinen Bruder aufziehend. Mit sichtlichem Erfolg. Dieser schnaubte leicht und verschränkte bockig die Arme vor dem Körper. „Weißt du auch. Bin hier weil – naja… Ellena und ich wollten bald aufbrechen. Nach Gondor. Wegen der Hochzeit…“

Ah, die Hochzeit. Beide Brüder bedauerten, daß Alejandro nicht zugegen sein konnte. Aber er verstand wieso das Paar einen anderen Weg gewählt hatte. Nur konnte ihr Fürst diesen derzeit nicht teilen. Schon gar nicht so. „Ah, die Hochzeit…“, wiederholte der alte Salas mit einem etwas wehmütigen Seufzen. „Du bist doch hoffentlich gut vorbereitet, oder?“ Sein Blick färbte sich deutlich strenger. „Keine Freudenmädchen vor der Hochzeitsnacht. Das wäre nicht gut für deine Leistungsfähigkeit.“

Die Empörung in den Augen des jüngeren Mannes war überdeutlich. „Ich habe noch NIE eine Frau SO angefaßt, Chandro!“, beschwerte sich dieser, zu spät bemerkend, daß er eigentlich hatte ein anderes Wort als ‚Frau‘ benutzen wollen. Viel zu spät.

Schweigen.

Viel Schweigen.

Beide Brüder starrten sich lange, ungläubig über den jeweils anderen, an. Keiner wagte die Stille zu durchbrechen. Zwei erwachsene Männer, stumm vor Scham. Am Ende war es doch Alejandro, der zuerst sprach. „Noch nie – irgendeine Frau. Wolltest du das damit sagen?“

„Nein!“ Natürlich wollte er das nicht sagen! Niemandem hätte er das sagen wollen! Es war mehr… so rausgerutscht.

Alejandro atmete erleichtert durch. Für einen Moment hatte er tatsächlich befürchtet, sein Bruder – SEIN Bruder! – hätte noch nie Kontakt zu Frauen gehabt. So aber konnte er lächeln. „Mach dir keine Sorgen. Du wirst ihr schon gefallen.“

„Ja, sicher… Werde ich…“

Die verhaßte Familienehre stand also auf dem Spiel. Atherton fragte sich, was Ellena davon halten würde. Vielleicht wäre es besser, sie in der Hochzeitsnacht gar nicht erst anzufassen. Immerhin hatte man ja gesehen, was mit Lynne geschah. Ellena wiederum war vielleicht schlicht noch gar nicht so weit. Und er selbst, Vater? Jetzt schon? Nein, nein. Vielleicht wäre es besser die Finger weiterhin von den Frauen zu lassen. Jedoch verriet ihm ein Blick zu seinem Bruder, daß zumindest er mit mindestens einem Nachkommen rechnete. Und das wohl auch schon sehr bald.

„Versprich oft zu schreiben, Atherton. Und berichte von eurer Hochzeit.“ -snacht. Zumindest hörte es sich in seinem Kopf irgendwie so an. Ellena würde das nicht mögen. Er jetzt schon nicht.

Es gab keine Umarmung. Kein langatmiges Lebewohl. Dafür aber ein Lächeln, so selten, daß es nur die Brüder kannten. Mit der gleichen, alten Verbindung, die beide längst verloren geglaubt hatten. Die Umarmungen waren nicht nötig gewesen. Sie hatten dieses Lächeln.

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