Flucht I

Gervain Terjar
31. Dezember 2010 • Kommentare: 3

Vor Jahren…

Für die Einen musste es die Zeit des Julfests gewesen sein, für Andere war es womöglich eine Zeit der Ruhe. Eine Zeit der Besinnlichkeit und des Beisammenseins. Aber konnte man wirklich von Besinnlichkeit sprechen, in einem Land, das von Grenzkämpfen zerrissen wurde? Gondor diente als Schild, zweifelsohne. So dachten jedenfalls diejenigen, die täglich Kampf um Kampf für die Freiheit ihres Landes ausfochten.  Für einen von ihnen war es nun Zeit, abzuschliessen.  Abzuschliessen mit einem Leben, das nichts für ihn bereitgehalten hatte. Wie ein Werkzeug hatte er sich gefühlt, einzig geschaffen, um zu gehorchen. Er hasste den Anblick des Frühlings, er verabscheute das fröhliche Lachen von Kindern. Ihnen war nicht angetan worden, was er erleiden musste, sie lebten nur, weil er sich aufopferte. Tag für Tag. Doch heute war er bereit, einen Schlussstrich zu ziehen. Er schuldete diesem Land nichts, das ihn benutzt hatte, das ihn wissentlich ausbeutete.

Dieser Mann saß nun auf der Eckbank in einer Herberge – irgendwo im Grenzland. Durch das morsche Holz drang die Kälte herein, einzig abgewehrt durch einige im Raum verteilte Kerzen und ein Kaminfeuer. Der Wirt huschte zwischen den Tischen umher, darum bemüht die Wünsche aller Gäste im völlig überfüllten Schankraum zu erfüllen. So winzig, so übersehbar war dabei der Mann auf der Eckbank, tief gebeugt über einen Pergamentstreifen, als nehme er seine Umwelt bewusst nicht wahr. Die Schankmägde beeilten sich nicht, zu ihm vorzudringen. Zerlumpt war seine Kleidung, so dass er kaum einen zahlfähigen Kunden abgeben konnte. Gervain Terjar hatte an diesem Tag siebzehn Sommer und siebzehn Winter gesehen, und doch fühlte er sich alt, als er die Zeilen des Briefs überflog. Er hatte dieses Land gesehen, aber war dort draussen mehr zu entdecken? Nun, bald würde er es wissen. Oder er würde sterben, im Moment war es ihm einerlei. Der Brief war kurz, nicht ausschweifend und enthielt nur das Nötigste. Sollte er ihn dem Wirt überreichen? Die Empfängerin würde früher oder später die Herberge erreichen, wenn sie ihm folgte. Wenn nicht, dann konnte es ihm gleichgültig sein. Ihn verband nichts mehr mit diesem Land, er würde sie in beiden Fällen nie wieder sehen. Ein letztes Mal blickte er auf den Pergamentstreifen, der ihn die letzten Reste seines Geldes gekostet hatte.

Leana,

ich danke Euch dafür, dass ihr mich  aufgenommen habt, auch habe ich zu danken für Verpflegung, die Fürsorge und alles, was ihr mir in dieser kurzen Zeit geben konntet. Ich habe nichts, was ich Euch geben kann, nichts womit ich Euch danken kann und das wusstet ihr genauso gut wie ich. Wenn ihr diesen Brief erhaltet, dann bin ich weit fort von Gondor. Wenn ihr es so wollt, ist mein letzter Wunsch an Euch, dass ihr mir nicht folgt. Ich kann Euch nichts bieten. Kein Haus, kein Vermögen und keinen Titel. Sollte Euch jemand nach mir fragen, leugnet ihr am Besten, mich jemals gesehen zu haben. Ich werde niemals vergessen, dass ich Euch alles vieles verdanke. Um Euch eine Antwort auf Eure Frage zu geben. Ja, auch ich habe Euch

[An dieser Stelle ist der Brief mehrmals durchgestrichen worden. Beendet wird er schliesslich durch eine schlichte wie nichtssagende Unterschrift]

In Liebe, Gervain

Der Brief wurde wenig später notdürftig gefaltet und mit Kerzenwachs verschlossen. Der Wirt versprach, ihn gegen ein Pfand in Form eines schmucklosen, kleinen Ringes und das Versprechen, dass er eines Tages eine angemessene Gegenleistung erhalten würde, aufzubewahren. Natürlich war es Lüge, aber das war im Moment unwichtig. Terjar saß noch eine ganze Weile mit leerem Blick dort in der Ecke. Bevor die ersten Sonnenstrahlen hinter den Bergen zum Vorschein kamen, öffnete er die Tür der Schenke und betrat begleitet von den neugierigen Blicken der Besucher den verschneiten, rauhen Gebirgspass. Es würde eine beschwerliche Reise werden, aber er hatte schon mehr gesehen, als dass ihn Schmerz abhalten könnte. Entweder er würde die Grenze überschreiten, oder er würde sterben.

Und so setzte er einen Fuß vor den Anderen, tat den ersten Schritt in ein – wie er damals glaubte – besseres Leben ohne zurück zu schauen. Nicht zurück auf die Herberge, und auch nicht zurück auf das damals so verhasste Land.

OoC: Zwei Anmerkungen am Rande, die meines Erachtens nach auch in den Blog gehören:

Der im Brief erwähnte Name, Leana, hat nichts mit einem etwaigen Charakter zu tun, der ig.  existieren könnte. Hier habe ich es mir einfach erlaubt,einen Charakter frei zu erfinden, genasowenig wurde dieser         jemals          ausgespielt, da Gondor im Allgemeinen ja nicht bespielbar ist.

Wer nach dem Lesen etwa so viel wie Bahnhof versteht, dem sei versichtert, dass an dieser Stelle noch etwas folgt. Am Ende wird jeder Einzelne verstehen! *prophezeit*

Die Frage, warum er denn flieht ist einen eigenen Titel wert, daher beginnt der Titel Flucht logischerweise auch während und nicht vor der Flucht.

  1. Fianah sagt:

    Willkommen im Blog 🙂

  2. Gervain sagt:

    Danke! *g* Etwaige Rechtschreibfehler vorbehalten, es war schon etwas spät.. *starrt ganz intensiv in die Luft und pfeift vor sich hin*

  3. Giselher sagt:

    Willkommen im Blog. Und sei Dir sicher, wir sind es gewohnt, dass Charaktere aus dem Blog nicht zwangsläufig welche seinmüssen, die es als Spielcharakter auch gibt. Und was das Verständnis von Geschichten angeht: manchmal verstehe ich nicht mal meine eigenen Blogs 😉 In deinem Fall warte ich einfach, wie die Geschichte weitergeht, irgendwann klärt sich das alles schon auf 😀

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