Ich grüße Dich Drakon.
Diese Nachricht erreicht dich hoffentlich schnell genug. Ich sandte Boten nach Linhir und in Richtung Minas Faer. Wie die Lage vor Ort ist, kann ich allerdings nur vermuten. Cinlir wollte selbst nach Gondor aufbrechen, Befehle und der Krieg zwangen ihn aber schließlich, sein Vorhaben aufzugeben und so sind wir tatsächlich wieder im Breeland. Der Krieg hat zumindest ihm, seiner Familie aber auch mir und meiner Familie keine Wunden geschlagen, zumindest keine sichtbaren. Das ist letztlich auch der Grund, weshalb ich Dir schreibe.
Ich benötige Deine Hilfe, mein Freund, denn ich sehe, dass meine Frau leidet und es schmerzt mich, dass ich dieses Leiden nicht lindern kann. Ich werde versuchen, der Reihe nach zu berichten: Die Geburt unseres Sohnes, ihn aufwachsen zu sehen hat Bryanne und mich mit einem Glück erfüllt, das vielleicht anderen Schmerz verdeckte, ihn aber letztlich nicht beenden konnte; sie vermisst ihre Geschwister jeden Tag.
An die zwei Jahre verbrachten wir in Bruchtal. Ich nehme an, die Elben selbst haben ihre eigenen Sorgen, sie alle brechen in den Westen auf, und so durften in den immer leerer werdenden Hallen Quartier nehmen. Es war seltsam genug dort und ganz gewiss werde ich auch in 50 Jahren dieses Volk nicht im Ansatz verstehen, aber das ist ist ein Thema, das bei einem Becher an einem gutem Feuer seinen Platz finden sollte (vorzugsweise ohne begleitende Harfenmusik – auch das ist ein langes Thema).
Letztendlich musste sich Cinlir seinem Befehl beugen und er wie auch sein Haushalt kehrten ins Breeland zurück. Vielleicht ist es der Frieden oder die Einfachheit der Alltagssorgen hier, die Bryanne zu ihren Gedanken brachte. Ich denke manchmal, sie fühlt sich nirgendwo wirklich heimisch, seit die Klingen nicht mehr sind. Es schmerzt mich, dass mein Name und meine Familie nie dasselbe für sie sein werden, erst recht da wir immerhin einen Sohn haben, der beides vereinen sollte. Vielleicht hat sie den Eindruck, ihren Bluteid verraten zu haben, vielleicht fühlt sie sich auch zurückgesetzt. Sie ist eine Mutter, eine Lady Aldorn und uns beiden ist es beileibe nicht leicht gefallen, uns in diese Rolle zu fügen, wie Du Dich erinnern wirst.
Offen gestanden fehlt auch mir Dein Rat. Du hast es stets verstanden, die Dinge besonnen anzugehen, bis hin zu Deinem geduldigem Wachdienst an meiner Seite, um einem störrischen Breeländer an die Tragweite seines Titels zu gewöhnen. Nun setzte ich darauf, dass dieser Brief mich daran teilhaben lassen kann:
Wie ich es verstehe, ist es nicht möglich, den Eid der Klingen zu brechen, da sie als solche nicht mehr bestehen. Da ich Bryanne heiratete und dazu den Segen ihrer Brüder hatte, würde ich meinen, dass auch hierin kein Verrat en eurem Blut begangen worden sein kann. Ganz abgesehen davon, dass in meinen Augen die Klingen solange bestehen wie auch nur ein einer derer, die ihren Eid geleistet haben, leben. Ganz egal, ob er (oder sie) nun den Namen Meroun führt oder nicht. Ich werde ihr all das sehr sicher sagen, aber irgendwas sagt mir, dass sie meinen Worten keinen Glauben schenken kann; schlichtweg weil ich keine Klinge bin und ihren Eid nie geleistet habe. Zwar weiß ich sehr wohl um das Gewicht eines Bluteides, ich nehme allerdings an, dass Bryanne niemanden, der nicht den Eid der Klingen geleistet hat und diese Verbundenheit unter den Geschwistern kennt, zutraut, sie wirklich verstehen zu können.
Vielleicht hat Cinlir mich inzwischen doch mehr zu einem Gondorer gemacht, als ich mir das eingestehen möchte, aber ich werde nicht zulassen, dass meine Frau in Gram versinkt, weil sie sich nach einer Vergangenheit sehnt, die es nun einmal nicht mehr geben kann.
Ich weiß nicht, ob es Dir möglich ist, ins Breeland zu kommen, mein Bruder. Wenn dem so ist, dann bitte ich Dich zu kommen. Du wirst hier stets einen Platz haben. Bis dahin möchte ich Dich bitten, mir zu sagen, ob ich mit meinen Überlegungen zum Eid der Merouns richtig liege. Wenn dem nicht so ist: hast Du einen Rat, was sonst für Möglichkeiten im Raum stehen? Du solltest wissen, dass ich bereit bin, alles zu unternehmen, was nötig ist, sofern es nicht meine eigenen Eide bricht….
… Wenn nötig gründe ich die Klingen neu! Sie sind da; es scheint mir fast, dass ihnen lediglich noch nicht aufgegangen ist ist, dass sie diese Tatsachen nur benennen müssten. Dir einen Befehl zu erteilen erscheint mir unmöglich, Bruder. Wäre es denn möglich, würde er sehr sicher lauten: ‚Meroun, ich erwarte Eure Meldung zum Status der Klingen, ebenso die Bestätigung ihrer neuen Führung, Meldung an Ser Aldorn’… vergiss das – ich erbitte Deinen Rat und erhoffe, Dich zu sehen.
Achte gut auf Dich und die Deinen,
Giselher Aldorn