Im Morgengrauen brachte Warim den Sarg. Sein Angebot, zu helfen, wurde freundlich abgelehnt. Anschließend blickten die drei sich gegenseitig an. Heridan legte Renas Leiche in den Sarg. Wie von Eldryth gefordert, legten sie ihr ihr Schwert bei. Während Derya und Heridan den Sarg schlossen und zunagelten, mühte Nephilem sich mit dem Gürtel ab, an dem Heridans Schwert hing. Das Gewicht behagte ihr nicht, aber Heridan meinte, sie solle die letzte Totenwache halten, während der Derya und Heridan gemeinsam das Grab ausheben würden. Eine Aufgabe, die ihr deshalb aufgetragen wurde, weil Heridan sie von der fordernden Graberei abhalten wollte – auch wenn er das niemals zugegeben hätte.
Der Ort war schnell gefunden – Westlich zwischen Heridans Haus und dem Mäuerchen war genug Platz, weit genug weg vom Wasser. Dort begonnen die beiden in mehrstündiger Arbeit ein Loch auszuheben, welches in der Größe für den Sarg ausreichen mochte. Die Arbeit, wie auch Nephis Wache fanden schweigend Stadt. Jeder der drei hing dabei seinen Gedanken nach. Heridan dachte selbstverständlich an Rena, deren letzte Ruhestätte er bereitete. Immer wieder zeigten sich ihm Bilder der Vergangenheit.
Er sah sich selbst, damals schon in Grün gekleidet und wesentlich Jünger. Er sah, wie er sich einem Gefühl hingab, was er lange nicht gekannt hat. Entrüstet schrie sein jüngeres Selbst, auf der Straße im Armenviertel stehend, lauthals die entsprechend jüngere Rena an. Diese biss sich selbst auf die Unterlippe, erkannte wohl ihren Fehler. Die Umstehenden musterten zum Teil die beiden skeptisch, andere starrten einfach nur.
Er sah sich selbst, wieder in Grün gekleidet. Mit ernster Miene stand er in einem Hinterzimmer des Ponys – Rena war ebenfalls da, in ihrem Gesicht spiegelte sich langsam unterdrückte Wut. Wut darüber, dass sie es nicht geschafft hatte, diesem komischen Grünen Idioten etwas ähnliches wie eine Emotion zu entlocken. Obwohl er es an dem tatsächlichen Abend nicht getan hatte, konnte er nun das verstehende ihres Blicks sehen, das gehässige Grinsen, als sie die Worte sprach, die er nun nicht hörte – aber dennoch in seinem Gedächtnis vor sich sah. Er sah sein eigenes Schmunzeln, bevor er in ihre Kunstpause hineinsprach – dabei die linke Hand hebend und ihr damit seinen Ehering zeigend. Und verspürte so etwas wie Mitleid, als ihr das Grinsen aus dem Gesicht fiel und sie von der Erkenntnis überkommen wurde, dass sie es die ganze Zeit vor Augen hatte, dennoch übersehen hatte.
Er sah sich selbst, mit Papieren durch die Stadt schreitend. Vor dem Rathaus stand Rena, in der Uniform der Wache. Er sah die Überraschung, als er ihr die Gefundenen Dokumente präsentierte. Die Belegten, dass seine und Renas Mutter die gleiche war. Eine höherrangige Wache – sie hatte kein Gesicht, denn in der Erinnerung spielte es für ihn keine Rolle, nickte und Rena kam mit Heridan mit – um über viele Dinge zu sprechen.
Noch viele weitere Momente sah er – zwischen den einzelnen Passagen Phasen der Leere, die immer länger wurden. Bis er schließlich das letzte Bild vor sich sah. Rena auf dem Boden liegend, entwaffnet. Über ihr Oberwachtmeister Valdrvior, die Klinge auf Renas Hals gerichtet. Er sah, wie Rena zu ihm schaute und schmunzelte. Er sah, wie er seinen Fuß auf ihr Handgelenk setzte, nachdem sie einen der Dolche ergriffen hatte. Dabei sprach er Worte zur Oberwachtmeisterin, doch zu spät. Er spürte, wie der Arm erlahmte, der noch vorher versucht hatte, mit dem Dolch die gegen Renas Hals stoßende Klinge beiseite zu lenken. Er sah, wie ihr Blut – das gleiche wie seines – den Boden benetzte.
Derya klopfte ihm auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – das Grab war fertig und hätte sie Heridan nicht aus den Gedanken gerissen, hätte er vermutlich irgendwann eine Direktverbindung zu den Tiefsten Verliesen von Moria in seinem Garten gehabt. Zu Dritt hoben sie den Sarg in das Grab. Zu dritt schütteten sie das Grab zu. Zu dritt tranken sie auf Rena. Zu dritt hatten sie sie verabschiedet.
Ein gut geschriebenes und würdiges Ende, sehr schön beschrieben.
Finde ich auch sehr stimmungsvoll. Hoffen wir mal auf Frieden für Heridan zur Abwechslung.